9. Juni 2005Vor einiger Zeit hatte mir ein südsteirischer Bauer von Reisen auf den Balkan
und ins Türkische erzählt, an manchen Stellen die Stimme gesenkt und geflüstert:
"Da leben sie ja noch wie im Mittelalter."
Ganz so wird es nicht gewesen sein. Erstens wissen mir die
meisten Leute nichts Stichhaltiges zu erzählen, wie denn im Mittelalter gelebt worden
sei. (Was allerdings, entgegen vieler Klischees, ein äußerst spannendes Stück Sozial-
und Geistesgeschichte ist.) Zweitens lebt man im tiefen Süden vermutlich gerade mal so,
wie bei uns noch an allen Ecken und Enden unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Denn
erst da begann in unzähligen österreichischen Dörfern das Einziehen von Wasser und
Elektrizität in die Häuser etc. etc.
Gar so erhebend sind also unsere Vorsprünge nicht. Sieh
man davon ab, daß ja weltweit ohnehin industrialisierte Nordregionen vom Süden zwar
profitieren, dorthin aber eher nichts zurückgeben, wenn es um Modernisierungsschritte
geht.
Andrerseits rücken wir strukturell stellenweise genau dem
wieder näher, was unsere Leute gerne mit gerümpften Nasen von oben herab betrachten.
Struktureinbrüche. Ich saß grade am Grazer Südtirolerplatz. Bus-Terminal. Mieses
Wetter.
Den Warteraum gibt's nicht mehr. Wurde an eine Firma für
Menschenverleih vermietet. Tiefe Löcher im Asphalt. Die Uhren auf dem Platz zeigen genau
zwei Mal am Tag für eine Sekunde die richtige Zeit an, stehen still. Die Busse verkeilen
sich gelegentlich, offenbar klappts mit der Logistik nicht so gut. Drum hinken auch die
Abfahrtszeiten ...
Ich beklage das nicht. Nein. Ich mag diesen Charme des
etwas Heruntergekommenen. Das legt nahe, der Arroganz von Emporkömmlingen zu widerstehn.
Denn das ist ein Kernstück des jüngeren Europas. Die wenigstens letzten 150 Jahre der
Arroganz von Emporkömmlingen.
Naja, ein wenig Glanz, dank gepflegtem Autolack, bringt der
Flecken ja zustande. Ich schreib jetzt nichts über eher ältere Herren an der Seite von
eher jungen Damen, da bin ich grade ein wenig befangen. Soweit die Jungs sehr gut situiert
sind, fahren sie eher unspektakuläre Hochpreisautos. Und manche ... wecken meine
Aufmerksamkeit mit besonderen Brocken.
Denn Ford hat lange Zeit unter dem Label
"Mustang" bloß grauenhafte Paraphrasen des beeindruckenden Ur-Ponys
produziert. Aber diese Neudeutung, die ich nun das erste Mal live gesehen hab, hat wieder
Charisma. Sowas gefällt mir. (Muß ich aber nicht haben.)
Was das mit dem Auftakt der Geschichte zu tun hat?
Eigentlich nichts. Was ich eigentlich erzählen wollte, Stichwort Süden Europas, Balkan,
hat mit der Busfahrt zu tun. Nein, genauer: mit meiner Lektüre bei der Busfahrt. Das
erzähle ich später ...
Mittags war ich dann bei meinem Doktor zum Kaffee. Fein,
was? Ich hab mit meinem Arzt nicht bloß zu tun, falls es mir schlecht geht. Und. Ich hab
Luise noch nicht gekannt. Hier grade mit ihrer Lieblingszeitung befaßt:
Während ich mit Georg Kurtz erörtern konnte, wie dieser
Gang, vor dem er da steht, sich als Streckenabschnitt des Kunstgeschehens in unseren
"CyberTrail"
integrieren ließe. Davon wird auch noch zu erzählen sein. Hängt überigens auch ein
wenig mit meinem Besuch beim Ingenieur Andreas
Turk zusammen ...
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