21. März 2005

Palmsonntag. Heißt das bei uns. Die Passion des Nazareners rückt ins Blickfeld. Die Rituale sind geblieben, die Themen verloren gegangen. Der Tod ist immer ... wo anders ...

Es macht ein schweres Herz, um die Kränkung des Todes genauer bescheid zu wissen. Ich hab das bei Canetti lange nicht verstanden ...

Als wir freitags in Wien gewesen sind, hatte sich der Tag sommerlich angefühlt, irritierend warm.

Gestern war die Kälte wieder da, die Sonne verborgen. Ich bin mit dem Zug ein Stück hinter Gleisdorf in den Süden gefahren, um die Strecke zu gehen. (Es ist ein kleines Stück der Route, die wir mit unserem Symposion abfahren werden.)

Das Vincennes zwischen den Maisfeldern, als ich Diderot und Dostojewski kurz in Beziehung zueinander gesetzt habe. Dieser Abschnitt war erneut zu machen, weil ich da auch die Handke-Sache hinsetzen wollte.

Eine Markierung aus seinem Buch "Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien".

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Denn das gehört in den Bogen der "Europa-Momente", welchen ich aus den Literaturen auf die Landschaft übertrage. Dieses eine Bezugssystem (von mehreren) meines großen Vorhabens wird nun im Web hier dokumentiert.

Es war zuerst eine passende Stelle dafür zu finden. Die mir durch diesen Vogel kenntlich wurde. Er lebte nicht mehr, saß mitten auf einer Brücke als wäre er noch lebendig. Das also war dann meine Stelle.

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Wo ich eine Textpassage angebracht hab. Handke war für sein Buch vielfach angefochten worden. Mit merkwürdigen Beschuldigungen, er hätte die Greuel des jugoslawischen Sezessionskrieges und vor allem die Taten der serbischen Soldateska geleugnet. (Unsinnige Unterstellungen, denen das Buch keinerlei Belege bietet.)

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Allerdings hat Handke die Zünfte provoziert. Nicht bloß weil er seinerseits kritisierte, Fragen stellte und in Frage stellte, welche Geschäfte da in der mediengestützten Realitätserzeugung vor sich gingen. Vor allem stellte sich Handke trotzig gegen die gefälligen Annahmen, Geschichtsschreibung und Journalismus seien a priori die verläßlicheren Gewerbe, um über Geschehenes zu berichten.

"Meine Arbeit ist eine andere. Die bösen Fakten festhalten, schon recht. Für einen Frieden jedoch braucht es noch anderes, was nicht weniger ist als Fakten."

Handke weiß natürlich, daß ALLES ein Deuten von Quellen ist. Seine Arbeit eingeschlossen. Und daß es nach den Massakern, Demütigungen, Feindseligkeiten nicht weitergeht, im praktischen Leben, wenn man nur an diesen Fakten hängen bliebe.

"Kommst du mir jetzt mit dem Poetischen? Ja, wenn dieses als das gerade Gegenteil verstanden wird vom Nebulösen. Oder sagt statt *das Poetische* besser das Verbindende, das Umfassende -- den Anstoß zum gemeinsamen Erinnern, als der einzigen Versöhnungsmöglichkeit für die zweite, die gemeinsame Kindheit."

Das hab ich dann auf die Brücke beim toten Vogel übertragen:

Anstoß zum gemeinsamen Erinnern

Denn wie anders könnten Völker nach so viel Blutvergießen wieder einen Raum beleben und Versöhnung finden, ohne dieses gemeinsame Erinnern und einen wechselseitigen Respekt für die Erinnerungen der jeweils anderen?

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12•05