16. März 2005

Die Awadalla und ihre Million. Läßt mich an meine Jugendtage denken. Zweite Hälfte der 1960er-Jahre. Da hatte ich einen Englischlehrer, der wegen einer unglücklichen Liebe zu einer meiner Klassenkolleginnen aus dem Leben geschieden ist. Es war uns an ihm sensationell erschienen, daß er einmal in einer Fernsehsendung aufgetaucht war.

Bei Hans-Joachim Kulenkampff. Der, soweit ich mich erinnere, eine kulturelle Institution gewesen ist. Die Show "Einer wird gewinnen" zu sehen war in unserem Verständnis jedem Opernbesuch ebenbürtig. Da also hatte mein Englischlehrer nicht nur seinen Auftritt gehabt, sondern auch einiges Geld gewonnen. Er erzählte uns von der Flut von Bettelbriefen, die ihn darauf erreicht hat ...

Cut!

Ein Buch über das Kosovo. Hab ich gestern erwähnt. Über jenes "Amselfeld", auf dem am "Vidov dan" (Sankt Veits-Tag), dem 28. Juni 1389, ein serbisches Heer den Osmanen unterlag. Es war praktisch das Ende des "Nemanjidenreiches". Das serbische Volk mußte nach Norden zurückweichen ....

Das 14. Jahrhundert! Sich HEUTE "realpolitisch" auf so einen "Gründungsmythos" zu berufen, das ist zum Davonrennen. Sag ich so. Haben wir nämlich in Variation auch duechgezogen. Vor 70 Jahren. Diese alte Germanen- und Herrenmenschennummer mit der "Großdeutschland-Option". Und WAS draus gelernt?

log259a.gif (4355 Byte) NACH dem Nazi-Intermezzo spielten wir es immerhin noch jubiläumsträchtig: "Tausend Jahre Österreich".

Siehe nebenstehend: "ostarrichi", wie es Kaiser Otto III. in einer Schenkungsurkunde vom 1. November 996 festhalten ließ.

Was hat das mit einer gegenwärtigen Nation und ihren Menschen zu tun? Nationalistenromantik, frühestens seit dem 19. Jahrhundert, die daraus Kontinuitäten ableitet.

Bei uns sowieso erst viel später, denn Habsburgs Kaiser hatte mit einer Nation nichts am Hut (samt Federbusch).

Da zählte die Dynastie. Kein Österreich in unserem Sinne.

Faktisch haben sich gerade während dieser 1.000 Jahre Herrscherhäuser quer durch Europa andauernd, je nach Möglichkeit, Armeen auf den Hals geschickt. Nationen? Völker? Unfug! Es ging bloß um die Vorteile der Aristokratie. Werte des Abendlandes? Du meine Güte! Was für ein Schwindel!

Aber zurück zum Kosovo. Unsere südslawischen Nachbarn haben die Lektionen des "Alten Europas" leider nur zu gut gelernt. Der jugoslawische Sezessionskrieg hat eine wesentliche Wurzel im Terror, den das serbische Milosevic-Regime über die albanische Mehrheit des Kosovo brachte. Dabei wurden die "ethnische Säuberungen", mit welchen Sonderpolizei und Armee Serbiens im Kosovo befaßt waren, mit nationalistischen Motiven dekoriert. In deren Zentrum das Motiv des "Vidov dan" stand. Gründungsmythos und Opfermythos als Legitimation für das Grauen.

So hatte unser Kaiser das einst gemacht, das (gegen Habsburg) kleine Serbien gedemütigt und überwältigt. So haben es die kleinbürgerlichen Nazi-Rabauken gespielt, so zeigte es uns unlängst die serbische Regierung, so sehen wir es auch in anderen Winkeln der Welt: Bevor die Massaker beginnen, beschwören die Täter "Opfermythen". Und plötzlich steckt im Fundament der neuen Nation Völkermord.

Die Arbeit an den Vorstellungen, worauf sich ein postNATIONALISTISCHES Europa stützen könnte, hat noch gar nicht richtig begonnen.

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