29. Jänner 2005 Nochmals:
Ach!
Grade war es so ein angenehmer, ruhiger Samstag. Nach
ergiebigem Schlaf einige Stündchen unbeschwerter Arbeit. Bei einem Schälchen Kaffee.
Zwischendurch ein wenig den Besen geschwungen, damit das traute Heim nicht verkommt. Und
mittags ein Töpfchen Reis mit Pilzen, arabisch gewürzt.
Das sind Glücksmomente, wenn man danach auf seine Couch
und in ein Epos fallen darf, in dem noch kein Nationalismus bekannt ist, der sich auf
seine Sprache beruft, um Legitimation zu behaupten.
Wo russische Offiziere ganz selbstverständlich
französisch, aber auch deutsch mit einander sprechen, neben dem Russischen, das gepflegt
wird. So beschrieb es Leo Tolstoj in "Krieg und Frieden".
Ich hab diese verschollene Lektüre wieder hervorgeholt,
dieses 2.000-Seiten-Werk, in dem so maßlos erzählt wird, in dem so überraschende
Sprachwendungen vorkommen, wie daß jemand aus einer Pfeife "Feuer
verschüttet". Oder daß es über die Gräfin Mara Dimitrijewna heißt: "... es
tanzte eigentlich nur ihr ernstes, aber hübsches Gesicht ..."
Ich hab es wieder zu lesen begonnen, nach dem mir Doktor Savic, die Nataa heißt,
erzählt hatte, daß ihre Mama sie nach diesem wilden Mädchen in Tolstojs großem Roman
benannt habe.
Dann wurde mir diese Beschaulichkeit gestört. Durch einen
erzürnten Kulturliebhaber. Der mir ein Reply auf Kultur-Spam mit folgendem Aviso
quittierte:
"Wie schnell wird man selber zum Taeter oder schaut
nur zu und reagiert nicht. Ich werde diese Mail an die Staatsanwaltschaft weiterleiten!"
Weshalb ich nun nicht bloß gerührt, sondern auch
geschüttelt bin. Was war geschehen? Ich hatte unser neues Produkt, "Führers
Gel", beworben. (Vorgestern wurde das im
Logbuch gezeigt.) Ich bewerbe immer etwas von unseren Sachen, wenn jemand so ungeschickt
ist, Werbemails zu verschicken, in denen die Adressen aller preisgegeben werden. Und nun
DAS:
Von: "Andreas Wagner"
<wagnersax@xxxx.net>
An: "martin" <der.krusche@kultur.at>
Cc: "Alfred Bachlehner" ....
Betreff: Re: Ausstellung Kunstverein Baden
Datum: Samstag, 29. Jänner 2005 11:01
Hallo an Alle!
Ich weiss nicht was Ihr davon haltet, aber ich fuehle mich von solchen Mails am Rande des
Rechtsradikalismus persoenlich angegriffen. Besonders nach dem Eklat um die NPD im
saechsischen Landtag und nach dem Gedenken an Auschwitz sollte man auf solche
geschmacklosen Werbemails entschieden reagieren. Hier wird der Name eines Verbrechers
benutzt, der Millionen von Menschen ins Unglueck gestuerzt hat, um selber ein bischen
Aufmerksamkeit zu bekommen. Die Taeter von Auschwitz waren vor allem gewoehnliche Menschen
und das erfuellt mich immer noch mit Scham.
Wie schnell wird man selber zum Taeter oder schaut nur zu
und reagiert nicht.
Ich werde diese Mail an die Staatsanwaltschaft
weiterleiten!
Andreas Wagner
Am 29.01.2005 um 09:38 schrieb martin:
> grüß euch!
>
> es geht doch nix über einen offenen adreßverteiler, den man dann bespielen kann.
>
> wir haben hier in der steiermark gerade eine neue pflegeserie für
> geschichtsbewußte menschen eingeführt. details unter:
> http://www.van.at/howl/junction/kont02/kont41.htm
>
> empfehle mich!
> der hausmeister
> ____________________________
> martin krusches logbuch: http://twylyfe.kultur.at/log/
> <care.jpg>
Cut!
Gut! Ich geb es ja zu, ich hab mit der Sache zu tun. Aber!
Ich hab genau genommen nur gemacht, was man mir gesagt hat. Und war eigentlich gar nicht
dabei. Na, am Anfang schon. Ein wenig. Später aber nicht. Denn eigentlich, ja eigentlich
ist mein Kollege, der Herr Vogeltanz, hüstel, räusper, wie sag ichs denn? Sehen Sie doch
selbst:
Der sieht doch nicht gar so vertrauenserweckend aus. Oder?
Würden Sie dem, wenn er grade sauer ist, widersprechen wollen? Ich wollte nicht. Aber!
Ich hab was über ihn herausgefunden. Und das gibt zu denken. Mir auf jeden Fall. Denn ich
bin an all dem eigentlich nicht schuld. Aber sehen Sie doch selbst: [LINK]
Wenn Sie gestatten, hau ich mich jetzt wieder auf die Couch
und lese Tolstoj. Und bitte sehr, daß sich jemand um diesen Herrn Vogeltanz kümmert ...
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