4. Jänner 2005

Liebe Freunde!
 
Zunächst einmal ganz ganz herzlichen Dank für euren unfassbaren Einsatz und Spenden, womit wir hier etwas hier auf die Beine stellen können.
 
ich muss anfangen meine Kräfte sparsamer einzusetzen: seit ca. 36 stunden habe ich kaum richtig geschlafen, da wir gestern und heute den 20 Stundenmarathon-Trip von ca. 700 km nach Potthuvil an die Ostküste und zurück mit Hilfsgütern unternommen haben.
falls ihr davon etwas publizieren wollt, bitte nochmals sorgfältig überarbeiten, Erschöpfung und emotionale Stimmungen gehen auf kosten meiner Schreibfähigkeit!
hoffe, dass ich euch in nächster zeit auch die entsprechenden Fotos schicken kann - hier braucht alles seine Zeit!!!
 
wenn ihr für diesen Bericht keine Zeit habt, dann braucht ihr kein schlechtes gewissen haben, davon nichts od. nur Bruchstücke zu lesen. Ich fühle mich aber gegenüber den Spendern und Berichterstattern verantwortlich ein möglichst reales Bild der erlebten Situation zu malen - und das ist einfach nicht in ein paar Sätzen und zahlen möglich - sorry!
 
Wir haben nicht nur traurige Gespräche mit Menschen geführt die ihre Kinder od. Familienmitglieder verloren haben! Eine Frau hat ganz stolz ihr 13 tage altes Baby uns gezeigt: sie hatte es ganz alleine geschafft mit ihm und 2 weitern ihrer Kindern an der Hand der Flut zu entkommen. und genau diesen Ort in Potthuvil, wo sie nur knapp dem Tod entkommen ist, haben wir
besucht. Einen Strand die eine dichtbesiedelte Siedlung von einfachen Hütten war: davon ist kaum noch eine Spur vorhanden - hier und da ein paar ziegeln, Überreste eines Fundamentes, Kleidungsstücke, eine Zahnbürste, ein paar umgeknickte Palmen und sonst nur Sand, der keine Vorstellung widerspiegelt, was sich hier vor wenigen tagen abgespielt hatte. Man kann im Sand noch genau die Spur der "killer wave" erkennen wie hoch die erste und gewaltigste der drei Flutwellen um ca. 8.30 morgens war. Der Höhenunterschied zum normalen Meeresspiegel würde ich auf mindestens 8 Meter schätzen.
 
Fast niemand außer drei Überlebenden waren am kilometerlangen ca. 100 Meter weiten sandigen "Todesstreifen" gestern nachmittags anwesend. Ein tamilisch sprechender Mann, der nur etwas singahlesisch sprach, erzählte von seinen Kindern die weggeschwemmt wurden und zeigt in die Richtung, wo einst sein Haus stand und jetzt nur Sand zu sehen war. Eine Frau in einem indischen Sarre kam vorbei und suchte vielleicht nach Überresten ihres z Hauses, wo nur noch die Andeutung eines Fundamentes wenige Meter wo wir standen vorhanden waren. 2 ihrer Kinder wurden weggerissen. "Wie viele starben insgesamt?" Er schrieb die Zahl "325" in den Sand. und deutete einige Kilometer weiter Richtung Süden und schrieb "2000". das berühmteste Surfparadies" Arumgambay und der Ort Ulla wurden fast völlig ausgelöscht. Einige Dutzend Wasserleichen wurden dort noch gestern ans Land gespült. Auch 12 (od. Mehr) Touristen kamen dort ums Leben.
 
Die riesige Stahl-brücke die zwischen Potthuvil und diesen Orten lag, und die ich einst unzählige Male überquert hatte, als ich mich in entlegene Urwälder weiter im Süden zurückgezogen hatte stürzte zusammen! Beim abschied fragte uns der dritte Mann, ob wir ihm nicht beim Aufbau eines neuen Hauses helfen könnten . . . "wo?", und der deutete auf die Stelle wo sein altes Heim gerade wegschwemmt worden war! wir waren etwas fassungslos: warum jemand wieder an so einen Todesplatz zurückkommen will. das andere was so seltsam schien: Alle drei sprachen über ihr Schicksal scheinbar emotionslos . . . waren sie noch unter Schock, oder waren sie nach all den Tränen und der Trauer einfach "leer"? 
 
Wir trafen auch eine Professorin einer Uni im Landesinneren, die vorgestern das Hambantota-krankenhaus besucht hatte um Essen zu bringen: sie sprach davon dass 1000 laichen dort aufbewahrt wurden, die schnellsten in Massengräber bestattet werden müssen. Die meisten davon waren so entstellt, dass niemand sie mehr identifizieren kann.
 
Die gegenwärtigen Hilfsaktionen laufen auf Hochtouren - doch bleibt vieles davon in leicht erreichbare orte. Einige entlegene Orte dagegen, erhalten wahrscheinlich nur langsam, wenn überhaupt Hilfe, ich hoffe die Regierung und internationale Hilfsaktionen werden sich darum kümmern.
 
Durch mein Projekt (www.simple-wisdom.net) und eure spenden planen wir zunächst 2 Plätze gegenwärtig und künftig zu helfen: Potthuvil im Osten (nördlich von Yala) und Magama im Südosten (westlich von Yala.
 
Gegenwärtig sind relativ viele / genug Lebensmittel, Kleidung, Lebensutensilien zu vielen Katastrophenorten unterwegs:
Ich denke, das größte Problem wird sein, wenn der Hilfeenthusiasmus der Bevölkerung nachlässt, denn die Leute, die mit dem nackten leben davon gekommen sind werden noch Monate völlig auf Hilfe von außen angewiesen sein.
 
So viel ich bei dieser reise mitbekommen habe, sind offizielle Regierungsmaßnahmen und die von Internat. NGO's noch kaum zu spüren. von den hunderten (oder mehr) LKWs und Kleinbussen, die wir auf dieser 350 km langen strecke angetroffen haben, habe ich nur ein Auto (natürlich auffallend luxuriös) der NGO "FORUT" mit 2 od. 3 Sudus (Westler) gesehen, und eine Auto vom "Ministery of Health" (auch kaum Army od Polizeitransporte!). Es sind so viele privat organisierte Gruppe unterwegs, dass wir bei der Rückfahrt gestern um 9.30 abends auf der schmalen entlegenen Straße (die einzige Verbindung zum Westen) 15 km außerhalb von Potthuvil in einen Stau geraten sind, da hie und da die überalterten Fahrzeuge ihren Geist aufgeben. In dieser Gegend, die ich von meinem Mönchsleben sehr gut kenne, sind nicht selten wilde Elefanten ganz in der nähe der Straße anzutreffen - wir sahen auf der hinfahrt eine Herde von ca. 10 Stück 100 Meter entfernt friedlich grasen.
 
Spontan würde ich sagen, dass es 3 verschiedenen arten von Problem bei Hilfsaktionen gibt. Das inkludiert allerdings nicht alle Organisationen: am effektivsten und schnellsten arbeitet wahrscheinlich der offizielle Fernsehkanal "Rupa-Vahini": die haben sofort eine hotline, Sammelaktionen und hilfstransprote organisiert; und es gibt auch eine Tel.Nr, wo man Orte melden kann, die noch kaum Hilfe erhalten haben.
 
1) das Problem, dass ich persönlich (und hoffentlich täusche ich mich!) Bei offiziellen Regierungshilfen sehe, ist, dass dabei nicht selten politische und finanzielle Korruption betrieben wird. ZB besteht die Stadtverwaltung von Potthuvil, deren (ca. 2000?) Einwohner fast ausschließlich Muslims sind hauptsächlich aus eigenen Leuten, und die tendiert ihre Community zu bevorzugen und die anderen Minderheiten zu vernachlässigen.
 
2) das Problem, dass ich in den riesigen NGOs sehe, ist, dass deren ausländischen, und oft nur kurzfristig eingeflogenen Mietarbeiter, nicht die direkten Kontakte zu der betroffen Bevölkerung haben, und öfter weder die Sprache noch die Eigenheiten der Insel kennen, und deswegen oft nicht mit der betroffenen Bevölkerung arbeiten können.
 
3) das Problem bei laienhaft organisierten Hilfsgruppen ist, dass die Leute persönlich ihre Sachen an die betroffenen übergeben wollen, um ihr gewissen zu erleichtern. An den leicht erreichbaren orten stauen sich daher die gesammelten Güter, bzw. bekommen geschickte und egoistische Familien / Gruppen durch die erfahrungslose und nicht selten chaotische art der Verteilung, mehr als jene die sich im Hintergrund halten. So werde die Sachen unüberlegt abgeladen, und man kehrt zufrieden nach hause zurück, ohne zu realisieren, dass damit kaum gerecht und längerfristig geholfen wurde.
 
Das "Expeditions-Team" unserer Reise bestand aus 4 Personen: Theja, meine Projekt Mitarbeiterin, bei der ich zZ auch in Colombo wohne, ein Leiter einer anderen kleinen buddhistischen Organisation, und ein weiterer hilfsbereiter Mann, der sich und sein Fahrzeug gegen einen Benzinpreis zur Verfügung gestellt hat. Ich war der einzige der noch keine persönlichen Kontakte zu den betroffenen Personen hatte.
 
als wir etwas naiv und unvorbereitet mit unseren Gütern im Osten ankamen haben wir diese Problem sofort erkannten, und on Spot versucht eine sinnvollere Struktur einzuschlagen:
Im ersten Flüchtlingslager in Lahugalla (ca. 25km westlich von Potthuvil), wo 54 singhalesische Familien in einem Tempel (den ich auch von vorher kannte) untergebracht waren, hatten wir eine junge Frau (sie hatte ihre Mutter und Neffen verloren) die Theja schon von vorher kannte, gebeten von jeder Familie (die sie alle kannte) eine Person in einer reihe aufzustellen. Dann verteilten wir in der Reihenfolge einige der mitgebrachten Lebensmittel, Toiletteartikel, Babyflaschen, Wasserflaschen, Matten, Teller, Becher. Von Kochtöpfe und andere Sachen hatten wir viel zu wenig - um Streit und Eifersucht in der community zu vermeiden verteilten wir diese Sachen gar nicht und fuhren mit dem Rest unseres angefüllten Vans weiter in den buddh. Tempel der Stadt Potthuvil, wo wir mit Dhayana, einem jungen Englisch-Lehrer und seine Mithelfer zusammentrafen, die Theja ebenfalls schon kannte (der Tempel und die Familien im Flüchtlingslager lebten einst nebeneinander.) Dort fanden wir heraus, dass am gleichen Tag schon 5 Kleinbusse und LKWs Sachen abgeliefert haben und verteilt wurden.
 
Dhayana meinte deswegen, dass es deswegen wesentlich effektiver wäre das Haus seiner Familie als Lagerraum zur Verfügung ´zu stellen. Wir alle befürchten dass, wenn die spontanen Hilfsaktionen nachlassen, die Leute alle ihre Vorräte aufgebraucht haben werden und wiederum vor dem nichts stehen. Mit Dhayana werden wir in Kontakt bleiben. Die aufbewahrten Güter werden erst dann verwendet werden, wenn altes aufgebraucht wurde und nichts neues mehr (von anderen Hilfstransporten) nachkommt.
 
Wir planen in 2 Wochen wieder dorthin zu fahren um auf gezielte weise diese art von Unterstützung fortzusetzen.
Diese Expedition hat ganz grob gerechnet ca. 40.000 Rs. (Ca. 300 €) gekostet. - (Theja wird die accounts machen und euch zukommen lassen!
Die Hilfsgüter, die wir am Dienstag für unsere erste Hilfsaktion nach Trinkomalle mit einem LKW mitgeschickt haben bezogen sich ca. auf 25.000 Rs.
 
Mittlerweile habe ich auch mit Sujith, telefonisch Kontakt aufgenommen, der Magama im Süden mit einen Van voller Hilfsgüter, im wert von ca. 25.000 Rs, besucht hat. Er meinte dass es in diesem Dorf, dass ich seit Jahren kenne, an vielen fehlt. Auch dort planen wir nächste Woche einen zweiten Trip zu unternehmen. der plan ist wiederum einen der betroffenen als Organisator und Kontakt-person einzuteilen.
 
Der Schlüssel zur effektiven Hilfe ist, zu erkennen, dass es keinen Sinn hat schnell Güter "blind" und ungeplant an unbekannte orte zu verteilt werden. d.h. aber auch nicht, dass wir in Zukunft nur uns bekannte orte und uns bekannte Leute unterstützen, aber wir müssen unsere grenzen und das unvorstellbare Ausmaß der gegenwärtigen Situation realistisch einschätzen.
 
Ich möchte ganz besonders Eva Karel (die 1 Jahr SL- und auch einige Projekterfahrung hat) danken: sie ist gerade dabei ein weiteres "Simple Wisdom" Konto in Wien aufzumachen! Es ist effektiver Geld dort zu sammeln und "gebündelt" zu schicken - weil die transferring-costs relativ hoch sind. Wenn ihr mehr Info darüber braucht, bitte mit ihr direkt in Kontakt treten: karel_eva@yahoo.de
 
Theja, die sich gerade von diesem 20 stunden Trip ausruht (und sie ist mit ihren 50 (?) nicht mehr die jüngste), wird demnächst checken, von wem welche spenden hier eingelangt sind - und wir werden euch darüber informieren. 
 
Meine Mutter (0043-6234-8350) hat mir jetzt alle Details des SW Kontos im Mondseeland geschrieben:
Bitte den IBAN nochmals checken, da es sein könnte, dass ihr / mir dabei ein Fehler unterlaufen ist!
Kt. Nr. und BLZ stimmen!
 
"simple wisdom - sri lanka":   raika mondseeland-Zell am Moos
IBAN: AT50 3432 2000 0032 3352
BIC= swift code: RZOOAT2L322
Kto.Nr. für Österreich: 323352
BLZ34322
 
Theja hat gerade herausgefunden dass die ersten spenden eingetroffen sind: 100 € von Clemens und 1400 € von meiner Mutter!
Danke!!!!!!!!!!!!!!!
 
Im tv wird gerade spekuliert ob eine Warnung einer weitern Flutwelle in SL durchgegeben werden soll (in Tamil Nadhu ist das scheinbar geschehen)!
 
Bitte um Verständnis, dass ich derzeit Mails nicht alle mehr persönlich beantworten kann.
 
mit herzlichen und etwas erschöpften Grüßen aus Sri Lanka
 
Florian

[back]

[kontakt] [reset]

1•05