6. September 2004Musolf
weiß offenbar, was es heißt, wenn man den Kopf einziehen muß, um die Arbeit
voranzubringen. Er schrieb mir nach der gestrigen Data
Minig-Aktion:
"Mein Opa väterlicherseits und alle Onkel waren
Bergleute im Ruhrgebiet, einfache Hauer, keine Steiger, Obersteiger, Reviersteiger oder
so. Da bin ich ganz stolz, in Dir endlich einen zu kennen, der sich da qualifiziert hat.
Aber sieh Dich vor, die sind alle an Silikose (Steinstaublunge) krepiert!"
Mir drohen zum Glück vergleichsweise bestenfalls kleine
Stromschläge und Bandscheibenvorfälle. Jedenfalls hab ich nun ein Türschild für meinen
Stollen erhalten:
Und da wir grade erörtert haben, wo jeweils unsere
Brockhaus-Ausgaben stehen, aus welchen Quellen wir gelegentlich schöpfen ...
"... daß ich die Brockhaus-Jubiläumsausgabe von 1900
mit der Enzyklopädie von 2000 zusammenstehen habe. Ich ziehe da immer wieder sehr
interessante Vergleiche. Ich häng Dir mal an, was da unter Gleisdorf stand."
Cut!
Beograd (7)
Da wir an einem Gebäude mit Bombenschäden
vorbeikamen, sagte Goran: "Hier hat mein Vater gearbeitet." Ein Büro für
irgendwelche "Affairs". "Ich wäre fast im Irak zur Welt gekommen. Aber
meine Mutter wollte da nicht hin." Fikret hatte Übersetzungsarbeit ins und aus dem
Arabischen geleistet. Bis zuletzt wußte eigentlich niemand, daß er auch Deutsch konnte.
Was daher kam, daß es seinerzeit keine Bücher in Serbokroatisch gab, mit denen man
Arabisch lernen konnte. Aber es gab deutsche Bücher. Also lernte er zuerst Deutsch.
Goran zeigte mir auch die Parkbank, auf der sein Vater vor
einigen Jahren gestorben ist. Seine Mutter folgte ihm einige Jahre danach, von einer
tückischen Krankheit ums Leben gebracht, die dafür nur wenige Tage brauchte.
Er war Moslem gewesen, sie Serbin. Goran sagte: "Wenn
ich in Bosnien bin, möchte ich hier sein. Bin ich hier, sehne ich mich nach
Bosnien." Um leise anzufügen: "Aber ich schäme mich, was Serben meinen Leuten
angetan haben." Er trägt einen Schlüsselanhänger bei sich, dessen Wappen Moslems
ausweist. "Kann jeder sehen", sagte er.
Auf dem Grab hatte sich die Erde über seiner Mutter noch
nicht gesetzt. Zwei Kübel weißer Kies standen bereit. Die Grabesszeilen sind nach Jahren
geordnet. Ich hab noch nie einen größeren Friedhof gesehn. Die Grabsteine sind zwei
Welten zugeordnet. Man erkennt es daran, ob sie ein Kreuz oder ein Stern ziert.
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