17. Februar 2004
Filmszene. Ein Officer und ein Mobster stehen sich mit gschwollenen
Eiern gegenüber. Der Mobster läßt seine Begleitmannschaft näher rücken und lächelt.
Der Officer sagt: "In meiner Gang sind 28.000 Leute." Ha! Muy macho! Darin liegt
ja irgendwie was Berührendes, wenn ein Kerl seine Beine und seine Schwanzfedern spreizt,
die Fäuste in die Seite stemmt und sagt: "Meine Männer." Hinterher braucht man
meist eine Menge Logistik und beherzte Leute für den Katastropheneinsatz.
Bevor ich bei Dollfuß weitermache
(Eintrag vom 9.Februar) noch kurz zu Wien. Da
findet man im "Wien Museum"
momentan eine bemerkenswerte Ausstellung. "Gastarbajteri" dokumentiert, wie wir unser kleines
"Wirtschaftswunder" nach dem letzten Weltkrieg in Gang bekommen haben. Damals
hatten wir definitiv zu wenig Arbeitskräfte. Vor allem für die Drecksarbeit. Wie wir
heute zu wenig Kinder haben ... für unser Pensionssystem.
Das wird also spannend. Da ja Wahlkampf
am Horizont gewittert. Ob wir es in diesem Land nun von Anfängern in Sachen Zynismus zu
Fortgeschrittenen gebracht haben? Naja, auf der Regierungsbank haben wir die Routiniers
schon. Stichwort: März 1934.
Es heißt, Dollfuß habe die Nazi
aufhalten wollen und deshalb das Parlament aufgelöst. Mag ja sein. Wenns wahr ist.
Geschenkt! Er war ein Kontrahent der Nazi. Welcher Regierende begrüßt schon andere
Machtanwärter? Die Nazi hat er nicht aufgehalten. (Sie waren mit Soldaten, nicht mit
Parlamentsabgeordneten gekommen.)
Weshalb dieser früher Schrittmacher des
Faschismus in Österreich noch immer politisches Renommee haben darf, bleibt mir
schleierhaft. Die beschönigende Art ihn darzustellen erinnert mich an das Faible, das
nach wie vor für Wiens einstigen Bürgermeister Karl Lueger zu finden ist.
Über den man gelegentlich hört: Naja,
stimmt schon, er war halt ein Antisemit. Ein abschwächendes Aber klingt
solchen Sätzen nach. Und es fehlt meist der Hinweis, daß solche würdige Herren
Bollwerke der Menschenverachtung waren. Es fehlt der unmißverständliche Hinweis: Das,
genau das sind die Väter der Barbarei, denen Lämmer gerne zur Seite stehn. Als
Mitläufer und Mittäter. Mit der Behübschung der Leithammel beschönigt man die
gesichtslosen Täter. Und verhöhnt die Opfer.
Der Historiker Immanuel Geiss stellte
seinem Buch über die Habermas-Kontroverse ein Zitat von Georg Christoph
Lichtenberg voran: Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten mäßig
entstellt. Die Habermas-Kontroverse war Mitte der 80er-Jahre um
Einschätzungen und Sichtweisen des Faschismus entbrannt. (Und als
Historikerstreit selbst zur Geschichte geworden.)
Geiss war damals der Überzeugung, daß große historische
Prozesse, die in katastrophalen Konflikten enden, sich immer schon vorher durch Konflikte
im kleinen ankündigen würden. Was immer man also an einem Dollfuß oder Lueger
Günstiges für eine Entwicklung Österreichs auffinden mag, es müßte erst an zweiter
Stelle erwähnt werden. Wie erstaunt mich das, wenn ich ranghohe Politiker den einstigen
Kanzler in günstiges Lichten stellen sehe, während sie das eigentlich Bemerkenswerte an
diesem Mann unerwähnt lassen. Daß er ein Wegbereiter undemokratischer Verhältnisse war.
Daß er aus der Betonung eines Freund-Feind-Schemas politischen Vorteil ziehen wollte.
Daß er autoritäre Strukturen bevorzugt hat. Ohne solche Züge ist Faschismus nicht
beschreibbar ...
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