6. Jänner 2004
Wie das mit dem Sterben so geht. Was
wiegt ein Leben? Wer hat darüber zu verfügen? Ich seh in letzter Zeit dauernd Särge.
Und Leichensäcke. Die Zeitungen und Magazine sind übervoll davon. So geht das mit dem
Sterben. Annähernd wahllos. Was wären dazu erträgliche Bilder?
Ein Zufallstreffer. Unlängst nach
Mitternacht. Anthony Quinn als Inuit. Leben im ewigen Eis. Mit Ruhe und Langsamkeit
erzählt. Im Land der Langen Schatten. Eigentlich The Savage
Innocents. Ein Film des gewaltigen Nicholas Ray. Der war mir ein Begriff geworden,
als er gemeinsam mit Wim Wenders [LINK]
sein Sterben zum Thema eines Filmes gemacht hat.
Lightning over water. Ich
hatte diesen Film 1981 in Hamburg gesehn. Und erinnere mich gut, daß ich unter der Wucht
des Streifens im Sitz immer kleiner geworden war. All das löste sich erst in einer
Schlußsequenz, da die Urne mit Nick Rays Asche auf einer Dschunke fortgebracht
wurde. Endlich konnte ich mich wieder aufsetzen.
Bis heute beschäftigt mich das. Wie man
so klar über sein eigenes Ende verfügen kann. Dieser große, hagere Mann mit den wirren
Haaren, der sich die Seele aus dem Leib hustete. (Ich habe mit Wenders danach ein
Interview gemacht und es völlig in den Sand gesetzt. Weil ich mit dem Mann, der gerade
"Hammet" bewältigte, etwas überfordert war. Zu der Zeit ist es mir mit Jungs
wie Eric Burdon, Roger Chapman und Meatloaf besser gegangen.)
Ich habe das Plakat zu Nicks
Movie bis heute aufgehoben. Und immer aufgehängt, wenn mir in einer Wohnung
irgendwo ausreichend Fläche an einer Wand dafür blieb.
Dieses Foto stammt noch aus Hamburg.
Bernd Lubowski, der ums Leben gekommen ist, Nicholas Ray und ich. Bernd hatte mich durch
unzählige Kinos der Stadt geschleift, eine feine Auswahl der Filme getroffen, damit ich
mehr Ahnung von der Sache bekäme.
Aber zurück zu The Savage
Innocents. Darin gibt es einen Moment, in dem die Alte sagt, sie werde
zurückbleiben, Inuk und Asiak nicht weiter begleiten. Um zu sterben. Ihr Leben sei nun
zum Ende gekommen.
Ich hab keine Ahnung, ob das bei den Inuit so üblich
gewesen ist und ob es in solcher Gelassenheit sich vollziehen konnte. Aber das ist eine
Szene, in der dieses Motiv liegt: Daß man über die Bedingungen seines Sterbens verfügen
kann. Daß man zu einer Haltung findet, die besagt: Es darf enden. Das wäre ja zumindest
die Marke, an der Maß genommen werden muß.
Weil ich zum Beispiel vorhin
die Bushies und ihr Verhältnis zum Völkerrecht erwähnt habe. Was auch an die Toten in
den Twin Towers sowie die an Giftgas verreckten Kurden denken läßt. An sterbende
Israelis und Palästinenser. Die Kindersoldaten in Afrika. Und was läuft in
Tschetschenien? In Afghanistan?
Also: Woran soll Maß genommen werden?
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