kunst ost | ":lebenskonzept"
Die Vorgeschichte
Im Jahr 2003 hatte ich gute Gründe, für die "Provinz" neue Möglichkeiten des
kulturellen Engagements zu suchen. Es war das Jahr, in dem Graz als "Kulturhauptstadt
Europas" gefeiert wurde und die Direktion dieses Festivals uns eine
erbitterte Kontroverse aufgedrängt hatte.
Der eklatante Mangel an Balance im Verhältnis von
Zentrum/Provinz, hauptsächlich was Mittel und Möglichkeiten Kunstschaffender angeht, war
teilweise erdrückend. Eine Fußnötchen: Diese "Graz 2003-Kontroverse" hatte
uns bis zum Obersten Gerichtshof gebracht und mich an den Rand meiner Existenz, denn zu
der Zeit und danach liefen die Geschäfte für einen Freelancer schlecht, wenn er in eben
diesen Betrieb Unruhe gebracht hatte.
SERGEY YUGOV VOR MEINEM
KÜCHENFENSTER
Am erstaunlichsten ist daran gewesen, daß sich alle
Bereiche der Politik in dieser Sache völlig bedeckt hielten. Das heißt, es durfte keine
kulturpolitische Kontroverse werden, sondern blieb ein simpler Rechtsstreit.
Wir waren zu dritt in diese Sache verstrickt. Graphic
Novelist Jörg Vogeltanz und Techniker Jürgen Kapeller gehören zu dieser Geschichte,
wobei Kapeller im unmittelbaren Streitfall den Hauptteil des materiellen Risikos trug.
Auf künstlerischer Ebene habe ich dann gemeinsam mit dem
Maler Joseph Schützenhöfer "die verschwundene galerie"
realisiert, eine konzeptionelle Antwort auf diese Kontroverse. Wir ließen die Werke in
Kisten verschwinden, mit denen wir durch die Provinz tingelten (Siehe das Foto oben): [link]
Zu meinen Reaktionen auf diese Verhältnisse gehört dann
auch die "Verschwörung der Poeten", die in der 49.
Kalenderwoche 2002 online gegangen ist: [link]
So war also Ende 2002 die Konfliktsituation auf eine Art
verdichtet, daß ich mir vorgenommen hatte, 2003 loszuziehen, um in der Region eine
völlig neue Faktenlage zu schaffen, die im Verhältnis Zentrum/Provinz für uns eine
grundlegend andere Position ermöglichen würde.
Wir haben dann in der Kontroverse einem Vergleich
zugestimmt, weil jeder weitere Gerichtsgang ruinöse Folgen gehabt hätte. Die
Dokumentation ist hier online: [link] Anfang 2003 waren für mich die Dinge neu zu ordnen. Ich schloß
das Projekt "praxiszone kunstraum.gleisdorf" ab: [link]
So entstand das Langzeitprojekt "the long
distance howl" (art under net conditions), zuerst noch
kurzfristiger angelegt, doch im Übergang zum "CyberTrail" als
größerer Gesamtzusammenhang definiert: [link]
Das lautete an einer Stelle:
"So: öffentlicher Raum, Eisenbahnschienen, Kreuzungspunkte ... was kann da
gemacht werden? (Ohne sich eine Genehmigung zu holen.) Ich bin auf die Strecke gegangen.
Sehen Sie, was ich gefunden hab ..."
Ich bin also anfangs konzentriert in den
öffentlichen Raum gegangen, wo ich nichts zu erbitten, niemanden etwas zu fragen hatte.
Daraus erwuchs ein Streckennetz, das ich im näheren Bereich sehr bald als eine Art
"Bühne" begriff, die ich bespielen konnte. Siehe: [link]
Da draußen meinte ich, eine Situation
anbahnen zu können, die uns Kunst- und Kulturschaffenden eine Position ermöglicht, in
der Verwertungsgesellschaften des Kunstfeldes mich nicht mehr ohne weiteres vor ein
Gericht zerren könnten.
Ein wichtiger Punkt schien mir in all dem zu
sein: WIR sind die primären Kräfte des Kulturgeschehens. Da mußte sich etwas an
Rollenverhalten und Rollenverhältnissen ändern. Es kann nicht sein, daß Leute aus der
Verwertung meine Lebens- und Arbeitssituation definieren, dominieren.
Ich habe hier unter "The Track:
Strecken und Spuren #2" einiges zusammengefaßt, was in jenen Jahren inhaltlich
zu diesem Prozeß geführt hat ("Die Bahntrassen in der Oststeiermark sind ein
greifbares Bezugssystem dieser ganzen Geschichte."): [link]
Es hat im Lauf dieser Geschichte noch einige
weitere Male Anfechtungen gegeben, durch die Funktionstragende verschiedener Einrichtungen
sich bemüht haben, diese Entwicklung abzustellen.
Das war manchmal sehr persönlich
ausgerichtet; siehe "Weg mit Krusche!" [link] Das kommt
gelegentlich sehr allgemein daher; siehe jüngst: "Weg mit der Kunst!"
[link]
Ich will derlei Kontroversen nicht
überbewerten. Faktum ist aber, daß wir seit vielen Jahren eine radikale Abwertung von
Wissensarbeit erleben, in deren Kielwasser Kulturarbeit weiter marginalisiert wird.
Hier rundet sich nun ein Jahrzehnt im Lauf
eines Projektes -- "the long distance howl" --, mit dem ich mir
vorgenommen hatte, das kulturpolitische Klima in meinem Lebensraum zu verändern. Dazu
haben inzwischen viele engagierte und inspirierte Menschen beigetragen.
Mit dem Abschaffen hat es also nicht geklappt.
Dies ist das sechste "April-Festival" von "kunst ost",
zugleich schon ein Verweis auf das "Zweite Gleisdofer Kunstsymposion":
[link] Eine
lebhafte Geschichte im zehnten Jahr von "the long distance howl".
-- [Notizen]
[Flaneur Krusche] --
core | reset | home
1113 |