kunst ost | "What It Feels Like for a Girl" (dokumentation #7)

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Sind wir uns denn so fremd?1)
Von Emina Saric

Die doppelte und mehrfache Diskriminierung der Migrantinnen wurde sehr wenig oder sehr selten in der Forschung thematisiert. Erst in der neueren Forschung werden diese Themen interessant und gesellschaftspolitisch auch als relevant eingestuft, so dass man erst in den 1990er die doppelte Diskriminierung der Migrantinnen zu thematisieren anfing, und zwar durch verstärkte rassistische und antisemitische Gewalt. Außerdem verweisen Migrantinnen darauf, dass sie im feministischen Mainstream auch als „die Anderen" repräsentiert werden.2)

Die Themen, die sie im politisch-gesellschaftlichen Kontext, wie Gewalt, Asylrecht, Arbeit, Bildung usw. betreffen, werden ungenügend thematisiert, wenn auch überhaupt erwähnt. In Bezug auf Arbeitsbereiche und Gender Mainstreaming herrscht die Tendenz, dass „weiße" Frauen Reproduktionsarbeit wie Haushalt, Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, an Migrantinnen delegieren. Auf diese Weise übertragen „weiße" Frauen die immer wieder diskutable Arbeitsaufteilung auf Migrantinnen.

Im Privatbereich wird die Arbeit von Migrantinnen immer mehr zur Voraussetzung für die „Emanzipation" der „weißen" Frauen. Die Hausarbeit und Pflege sind Bereiche, die schlecht bezahlt sind, gesellschaftlich als Frauenberufe konnotiert und gelten als anspruchslose Berufe, die für unqualifizierte Arbeitskräfte am besten geeignet sind. Somit wird Diskriminierung der Frauen mit geringen oder keinen Rechten noch mehr verstärkt. Die Emanzipation alleine hat die Gesellschaftsstrukturen nicht viel bewegt, denn das Einkommensgefälle zwischen den Geschlechtern hat sich nicht geändert und die Arbeitsteilung im Haushalt wurde aufrecht erhalten.

So können wir im diesen Zusammenhang von einer Retraditionalisierung bezüglich der Emanzipation und Ethnisierung der Arbeit sprechen.3) Die Emanzipation wird in diesem Zusammenhang zu einer Illusion, weil sie nicht auf Umverteilung im Geschlechterverhältnis basiert, sondern auf der Hierarchie zwischen Frauen. Dies führt zu einer Entwicklung, in der der berufliche Aufstieg mit Emanzipation und ethnischer Privilegierung verwechselt wird.

Damit wird ein weiterer Diskurs geöffnet, nämlich dass in Bezug auf die Emanzipation für die „weißen" Frauen kein Handlungsbedarf mehr besteht. Frauen laufen Gefahr, an der Kontrastierung untereinander zu arbeiten und die Emanzipation der privilegierten Frau wird an ihrem Abstand zu nichtprivilegierten Frauen gemessen, und nicht mehr an ihrer Positionen in Bezug auf die Männer. Somit wird der Konfliktstoff zwischen den Geschlechtern in diesem Sinne externalisiert.4)

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1) Anm. Der Titel bezieht sich auf den Buchtitel von Julia Kristeva „Fremde sind wir uns selbst" Edition Suhrkamp, 1990
2). bpb.academia.edu/Departments, Westphal Manuela in: Migration und Genderaspekte Feminisierung internationaler Migration
3) Ebd.
4) Ebd.

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