(kunst ost: agrarische welt) seite #2

Mach Dich vom Acker!

Die Oststeiermark erlebt gerade eine sehr kuriose Provinzposse. Es gibt authentische Sorgen, große Emotionen, blühende Polemik und so manche Verschlagenheit, allerhand verdeckte Intentionen.

In der „Bad Blumau-Kontroverse" wollen zwei verschiedene Interessensgruppen über das gleiche Terrain verfügen. Die Firma Frutura will einen Glashaus-Komplex bauen und betreiben. Eine Bürgerinituiative ist dagegen. Melanie Franke, Direktorin des Rogner Bades Blumau, erzählte bei einer Pressekonferenz, ihre Leute wären bereit, die fraglichen Grundstücke zurückzukaufen, damit Frutura nicht bauen kann.

page02a.jpg (26415 Byte)

Die Pressekonferenz am 10. Oktober 2012, von links: Arzt und Anrainer Dr. Herbert Riegler, Maria Perl, die Vorsitzende des Bad Blumauer Tourismusverbandes, Gemeinderat Karl Semmler, Melanie Franke, Direktorin des Rogner Bades Blumau und Gemeinderat Franz Spörk.

Was genau der Fall ist, wird sich wohl erst nach und nach klären lassen. Die Informationslage zeigt sich etwas diffus. Manfred Hohensinner von Frutura macht kein Geheimnis aus seiner Geschäftsidee. In einem großen Glashausprojekt, das die Geothermie nutzt, soll für den heimischen Markt jene Menge an Gurken, Paprika und Paradeiser gezogen werden, die von der Supermarktkette Spar bisher aus dem Ausland importiert wird.

An dem Fall ist pikant, daß uns Geschäftsunterlagen zugestellt wurden, die darstellen, wie die Rogner Holding und die Rogner Geothermie ursprünglich das Projekt (als möglicher Kooperationspartner von Frutura) mittragen wollte. Damals gab es keine Einwände gegen dieses Vorhaben.

Als Manfred Hohensinner einen „Entwurf unserer gemeinsamen Grundsatzvereinbarung" lieferte (E-Mail vom 5.4.12), ergänzte Robert Rogner jr. diesen Entwurf (E-Mail vom 12.4.12): „Anbei der Entwurf aus unserer Sicht und auf Basis unseres gestrigen Telefonates ergänzt."

Etliche dieser Ergänzungen machen selbst juristischen Laien klar, daß sie bei Unterzeichnung eines entsprechenden Vertragswerkes Rogner nicht nur die Kontrolle über das Projekt eingeräumt, sondern auch das unternehmerische Risiko überwiegend zu Frutura geschaufelt hätten.

page02b.jpg (47774 Byte)

Quelle: Frutura

Mit solchen Modi ist Hohensinner gewiß nicht groß geworden, also endete die Geschäftsverbindung mit einem Schreiben von „Aichinger, Buchert, Rechtsanwälte" (14.5.12), mit dem „…die aufgenommenen Gespräche – bedauerlicher Weise – abgebrochen werden, da eine Grundsatzvereinbarung […] derzeit nicht realisierbar erscheint…"

Inzwischen schwante einigen Bürgerinnen und Bürgern der Region, daß hier eine Betriebsanlage entstehen könnte, die ihnen etliche Nummern zu groß erscheint. Originelles Velaufsdetail: Im Hause Rogner wurden plötzlich soziale und ökologische Einwände entdeckt.

Was nun genau in Bad Blumau dann in Gang kam, läßt sich bis heute nicht ohne weiteres klären. Offenbar gibt es seit Monaten eine Verständigungsbarriere zwischen Bürgermeister (Baubehörde 1. Instanz) und Gemeinderat (Baubehörder 2. Instanz).

Eine Kategorie für sich ist Maria Perl, die ziemlich verärgerte Obfrau des Tourismusverbandes Bad Blumau. Sie ist, wie auch andere Funktionstragenden des regionalen Geschehens, von der Gemeinde keineswegs angemessen informiert worden.

Aber worüber kann eigentlich stichhaltig informiert werden? Die Bürgerinitiative hat bisher vor allem Polemik kommuniziert und nur wenig Sachinformationen geliefert. Dort sieht man im Hause Rogner den stärksten Verbündeten gegen das Frutura-Projekt. Ein Verbündeter, der fast ihr Gegner geworden wäre, wie man annehmen muß.

Nun ist zwar die Unruhe und Empörung begreiflich, sie braucht aber offenbar noch Zeit, um auf eine Sachebene zu kommen, auf der sich die ganze Angelegenheit konkret darstellen und verhandeln läßt.

So viel augenblicklich bekannt ist, gibt es vorerst noch keine gesetzlichen Barrieren für das Projekt, denn Hohensinner ist bemüht, geltende Reglements zu erfüllen und sein Glashaus zu bauen. Allerdings wird auf gegnerischer Seite zunehmend geltend gemacht, hier solle für ganz Österreich ein exemplarisches Eindringen der Agrarindustrie in touristischen Regionen und Räume bäuerlicher Landwirtschaft ermöglicht werden.

Dabei zeigt sich, daß es nützlich wäre, überhaupt einmal erste Begriffsbstimmungen vorzunehmen, denn das Match „industrielle Landwirtschaft versus bäuerliche Landwirtschaft" ist bei uns nicht vom Himmel gefallen, sondern hat eine Vorgeschichte von Jahrzehnten.

Wer immer nun impulsiv von „Großindustrie" redet und düstere Szenarien malt, schadet der Sache vermutlich mehr als es nützen könnte. Daher lautet das Gebot der Stunde sicherlich: Bitte klären, was Faktum ist!

Pojektskizze von Frutura: [link]
Siehe dazu auch die Glosse "Ungleichgewichtig"!
Ergänzend: Bad Blumau: Privat mauscheln oder öffentlich debattieren?
Weitere Beiträge zum Thema: Die Bad Blumau-Kontroverse


core | reset | mail
46•12