the long distance howl / konsortium 18 / tesserakt III / seite #22

Herr Qigong und Konsorten

Zugegeben, heute bin ich sauer. Es häufen sich derzeit Momente, in denen Trolle meinen, sich an mir abarbeiten zu dürfen. Das hat eine neue Dichte erlangt und es gibt dabei sehr schäbige Momente in so manchen Unterstellungen. Menschen, die sich demonstrativ als menschenfreundlich darstellen, haben keine Scheu, bei Dissens sehr herabwürdigend, kränkend zu werden.

Ich bin nicht gepanzert und nicht so hartgesotten, daß mich sowas unberührt ließe. Ich staune über Chuzpe, Anmaßung und die stellenweise verblüffend seichte inhaltliche Ausstattung so mancher Trolle. Wo offen mit Wut und Verachtung agiert wird, finde ich das komplette Spektrum von rechts nach links abgedeckt. Aber nun konkret…

Dies ist ein vergleichsweise moderates Ereignis, weshalb ich es als milderes Beispiel etwas ausführlicher darstellen will. Herr Qigong, der ungebeten in meinem Facebook-Kanal aufgetaucht war, um mich zu belehren, hat sich nun über die Blockierfunktion von mir verabschiedet. Seine Postbotin ist noch da. Eine Frau hatte Herrn Qigong kommentarlos auf meine Glosse „Berlin, August 2020“ hingewiesen.

Clara P., die sich gerne mit der Kategorie „siempre verde“ (immergrün) assoziiert und allerhand Wohltaten anbietet, etwa Zhineng Qigong, assoziiert sich in ihrer Selbstdarstellung via Web mit Begriffen wie „bunt, freundlich, gemeinschaftlich, ruhig, grün, fröhlich, offen, Bio-Alternativ“. Sie bringt sich mit dem Thema „Soziale Arbeit“ in Verbindung.

Herr Qigong hatte ihre Empfehlung aufgegriffen, um mit mir ein merkwürdiges Tänzchen zu beginnen. Unser Dialog war davon geprägt, daß er etwas unterstellt und in der Folge auf keines meiner Argumente eingeht, sondern weiter seine Agenda bedient.

Das ist übrigens eine Grundübung im Rechten Denken. Ich stelle eine Behauptung auf, unterstelle etwas, biete mich als Lösung für das Behauptete an. (Eine Prüfung der Behauptung kommt nicht in Frage, die Unterstellung wird weitergeführt.)

Herr Qigong hat mich inzwischen auf Facebook blockiert, was bedeutet, er hat sich meinen Blicken entzogen. Ich hänge daher unseren gehabten Dialog hier an, damit nachvollziehbar ist, wie das derzeit so läuft, wo erregte und bewegte Menschen ihren „gefühlten Wahrheiten“ folgen, auf eine kritische Prüfung von Argumenten verzichten und nicht in Erwägung ziehen, daß in einer pluralistischen Gesellschaft auch Dissens eine Qualität sein kann.

Eine Selbstdarstellung unter „bunt, freundlich, gemeinschaftlich, ruhig, grün, fröhlich, offen, Bio-Alternativ“ verpflichtet offenbar nicht zur Beachtung von Konsequenzen und Folgerichtigkeit (Karma), sondern darf als Duftmarke, als Unique Selling Proposition genügen. (So einen Modus nennen wir Propaganda.)

Bevor Herr Qigong mich auf Facebook blockiert hat, ließ er mich noch wissen: „Sie stecken sehr viel Energie in den für mich gedachten Spießrutenlauf...es sagt mehr über Sie aus als über mich. Ich beglückwünsche Sie zu Ihrem Hobby…“

Das bedeutet: zwar hat er sich ungefragt bei mir eingestellt, um mich zu belehren, aber nun sei zu beklagen, daß ich ihm einen „Spießrutenlauf“ beschere. Also: er sei das Opfer meiner Umtriebe.

Während er meine Kommentare und Glossen als „Hobby“ etikettiert, konnte ich allerdings noch nicht klären, zu welchem Genre seine Kommentare innerhalb seines professionellen Angebots zählen, das da wäre: „Feldenkrais Lehrer, Dipl. Sozialtherapeut, Barefoot-Runner, QiGong & Kampfkunst, Atem-Pädagogik i.A.“…

Frau Clara wirkt im Genre „Soziale Arbeit“, Herr Qigong ist Dipl. Sozialtherapeut, beide verdienen ihr Brot offenbar damit, anderen Menschen gutzutun. Ich staune, welche Betätigungsfelder das einschließt.

Wie schon erwähnt, ich deponiere hier ein Dokument, das unseren Dialog enthält, dessen Verlauf und Qualität man nach eigenem Geschmack beurteilen möge.

Was hat mir der heutige Tag sonst noch gebracht? Erstens Post aus der WOCHE-Redaktion:

„Sehr geehrter Herr Krusche!
Ihr Beitrag:
Berlin, August 2020 wurde aufgrund fehlender Bildrechte gemeldet. Vielleicht könnten Sie, wenn es zum Beitrag passt, bei den Credits (direkt unter dem Bild) auf den Urheber verweisen. Mit freundlichen Grüßen,…“ (Siehe dazu auch Blatt #20!)

Zweitens einen Bericht von Julius Geiler im Tagesspiegel, der besagt: „Heilpraktikerin aus der Eifel. Das ist die Frau, die zum Sturm auf den Reichstag rief“. Demnach rief die Frau "Wir haben gewonnen" und empfahl von der Bühne herab: "Wir holen uns hier und heute unser Hausrecht".

Ein erstaunliches Exempel in Sachen Staatsbürgerkunde und politischer Bildung. Geiler zitiert:

"Wir schreiben heute hier in Berlin Weltgeschichte. Guckt euch um, die Polizei hat die Helme abgesetzt. Vor diesem Gebäude (gemeint ist der Reichstag, Anm. d. Red) und Trump ist in Berlin. Die ganze Botschaft ist hermetisch abgeriegelt, wir haben fast gewonnen. Wir brauchen Masse. Wir müssen jetzt beweisen, dass wir alle hier sind. Wir gehen da drauf und holen uns heute, hier und jetzt unser Hausrecht. Wir werden gleich diese komischen kleinen Dinger brav niederlegen und gehen da hoch und setzen uns friedlich auf Treppe und zeigen Präsident Trump, dass wir den Weltfrieden wollen und dass wir die Schnauze gestrichen voll haben. Wir haben gewonnen." (Quelle)

Der Dialog mit Herrn Qigong
+) page22_qigong.doc
(53 kb)
+) Fortsetzung: Nationalismus

Die Glosse Berlin, August 2020
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