the train: locomotion 24

Ich sollte auf der Couch liegen und in meinen Büchern herumwühlen, mit ausgestreckten Beinen, so hab ich das gerne, ein Aspekt, den Virilio NICHT einbezogen hat, als er über "rasenden Stillstand" schrieb. Der Lesende, Imaginierende ... zumal ich mir heute wieder ein Hochglanzmagazin mit nackten Automobilen gekauft habe, mein monatliches "Motor Klassik", worin es tatsächlich öfter eine Art Centerfold gibt. Man legt das Heft quer und faltet ... diesmal: MG R-Type von 1935, ein anbetungswürdig schöner Monoposto, in schlankes Aluminium gepackt ... aber nun blättere ich Notizen auf meinem elektronisches Klemmbrett durch.

train24.jpg (21066 Byte)

Flachbart heut, Samstag, 19. Februar 2005, 19:22:
"ja, die neulich entflammte kleine diskussion über "identitäten" bezogen vorwiegend auf politische bzw. geographische zugehörigkeiten - sprich labels auf dem rennfahreranzug - ist nur eine erste, im moment greifbare stufe vom disappearing self in richtung schwarm/schwarm-intelligenz, die man braucht um mit dynamischen offenen räumen klar zu kommen. es ist eine art under net condition zu leben. unsere soziale makro-welt beginnt sich genauso zu verhalten wie die mikro-welt der quantenphysik: die grenzen zwischen who's who verschwinden."

"schwarm/schwarm-intelligenz". Ich werde meine Bibliothek nach jenem Stanislaw Lem-Bändchen durchstöbern, wo so ein Bild vorkam. Möglicherweise die "Waffensysteme des 21. Jahrhunderts". Aber. Identitäten. Schwärmen. Was war da?

Samstag, 12. Februar 2005, 19:02, hat Mokre nach einem höheren Wellengang in der Community angemerkt:
"hm - ich kann nicht fussball spielen und hab selbst zum moderieren eines fussballspiels zu wenig ahnung. und dann bin ich, obwohl ich in juengeren jahren gern mal recht revolutionaer getoent hab, eigentlich recht konfliktscheu und es steht zu befuerchten, dass ich schon beim ersten halbtoten die moderation niederlege. beine hab ich allerdings schon -- und aufgrund recht ausfuehrlicher alkoholerfahrungen ueblicherweise auch die faehigkeit, auf diesen zu bleiben, auch wenn alles grad ein bissel schwankt. monika"

Später schrieb Mokre noch:
>>Dann sollte mensch wohl auch nicht uebersehen, dass der verzicht auf fixe identitaeten, das geniessen multipler identitaeten, ein ziemlich elitaeres vergnuegen ist.<<

Da hat Selakov prompt reagiert. Als Serbin hat sie diese irritierenden Botschaften im Nacken. Ein EU-institutionalisiertes Europa, das ja noch längst kein post-nationalistisches Europa ist, tut manchen Völkern gegenüber recht gerne so, als hätte es diese Identitätssache gelöst und gefressen.

Mokre an anderer Stelle:
"Was mich eigentlich ausschliesslich an diesen debatten interessiert, sind politische identitaeten. Und ich denke, ohne die kommen weder demokratische systeme noch auch politischer widerstand aus. Nur wenn ich mich in irgendeiner form als mitglied einer gemeinschaft verstehe, bin ich bereit, mich mehrheitsentscheidungen unterzuordnen, die meinen interessen widersprechen (deswegen ist das thema auch fuer die eu wichtig - sobald irgendetwas kracht, schreien die unterlegenen "austritt", ein sicheres zeichen mangelnder identifizierung. (nebenbei vielleicht der bessere begriff, identifizierung statt identitaet.)"

Flachbart meinte heute Mittag:
"auch das thema *identitäten* hängt eng mit dem *open-source* zusammen, nicht nur als software-programm, sondern als ein neuer code der gesellschaft (nicht nur der architektur, ivan), der *the end of industrial age competition* einläutet. open source heisst hier freie lizenzierung von *intellectual property*, d.h. verzicht auf autorenschaft und, letzten endes, auch auf die ab- und ausgrenzende identität aller couleure in richtung *distributed intelligence* als basis für permanente innovation, die wiederum die voraussetzung ist für *a sustainable growth in the economic infrastructure that is consistent with the 21st century*. das ist, was ich irgendwann mit der *wirtschaftslokomotive* andeutete - ein sehr nützliches, höchst aktuelles thema.

Da denke ich nun vor allem an einen Essay von Vilem Flusser, mit dem er, wenn ich mich recht erinnere, darlegte, daß Autorenschaft, wie wir sie sehen, ein Phantasma sei. Prompt wurde er gefragt, warum dann seine Bücher unter seinem Namen erscheinen würden. Man möchte meinen, er habe geltend gemacht, daß er für geleistete Arbeit bezahlt werden möchte. Falsch gemeint! Flusser betonte, Feedback sei doch etwas sehr Erfreuliches und solle daher adressierbar sein. Ha!

Martin K.


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