Log #14

Das hat mich einigermaßen überrascht. Gärtner Adi Ruprecht an diesem bei uns raren Bordun-Instrument zu sehn. Der Dudelsack ist hier einst von der Geige verdrängt worden. Es verlangt einige Ausdauer und Kontinuität, ihn spielen zu können.

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Was bewegt Menschen, denen es lange und anstrengende Tage beschert, den eigenen Betrieb gut in Schuß zu halten, sich so einem Hobby hinzugeben? (Man könnte bequemere Dinge finden ;-)))

Ich hab gerade mit Gernot Muhr vom "Foto Laborium" geplaudert, er interessiert sich dafür, bei unserem Projekt anzudocken. Muhr spielt zu seinem Vergnügen Saxophon. Wie übrigens auch die Apothekerin Ulli Mayr, deren Mann hier zum "Einser-Kreis" gehört. Ein Instrument, daß einem erhebliche Zuwendung abverlangt.

Bei Designerin Barbara Baumgartner ist es die Bratsche. (Angesichts dieser fordernden Musikinstrumente verschweige ich meine Mundharmonika vielleicht besser ...) Mir fallen auch noch andere Unternehmer der Stadt ein, die sich aktiv der Musik widmen.

Wie angedeutet, Fernsehn oder Kartenspielen wäre das simplere Vergnügen. Da muß also etwas Besonderes sein, das hart arbeitenden Menschen so klar der Kunst zugewandten Hobbies nachgehen läßt. Ein Aspekt, der noch mehr Beachtung verdient ...

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Apropos Baumgartner! Ein Arbeitstreffen mit der Designerin kann, im günstigsten Fall, an ihren Küchentisch führen. Zu vorzüglichem Espresso und eventuell Gebäck, das zur Butter noch eine selbst gemachte Draufgabe erhält. Die Zwetschkenmarmelade, von unbeschreiblich gutem Geschmack, verweist unmittelbar auf den Zwetschkenbaum hinterm Haus.

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Das ist ein Zusammenhang, den man nur all zu leicht übersieht. Wo ein persönlicher Zugriff auf eigene Strukturen zu sinnlichen Qualitäten führen kann, die einem von der Industrie nun mal nicht geboten werden. Das hat eine gewisse Parallele zum vorhin erwähnten Hobby im Musikbereich. Kein Massenprogramm, ich weiß. Aber ein weiteres Beispiel, wie bestimmte kulturelle Möglichkeiten durch nennenswerten Einsatz gepflegt werden, auch wo einem große Arbeitspensa die Woche dominieren.

Daraus schließe ich auf ein bemerkenswertes KULTURELLES Potential dieser Stadt, das nicht da ist, um als "Veranstaltungsprogramm" zu dienen. Dennoch ist es eine relevante Kraft im Kulturgeschehen der Stadt ... aber eben "auf anderer Bühne".

Cut!

Im Vorjahr hatte ich mit Baumgartner und dem Arzt Georg Kurz eine Erörterung des sozialen Gefüges in Gleisdorf, auch der Fragen nach Rang und Prestige innerhalb einer Sozietät. (Siehe Eintrag #6!) Was auch die vertrauten Positionen "Pfarrer, Lehrer, Arzt und Bürgermeister" berührte.

Die ja symbolisch Leib, Seele, Bildung und Ordnung stehen. (Siehe Eintrag #7!) Sind das Klischees? Keineswegs! All das wandelt sich bloß laufend. Nun hatte ich ein Gespräch mit Dechant Kowald.

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Die Ahnungslosigkeit betreffend verschiedener Professionen zeigt sich ja oft schon in der Unklarheit, welche Begriffe wofür stehen. Da mußte ich gründliche nachfragen. Zum Beispiel: Man wird zum Priester geweiht, wenn man ein Theologiestudium erfolgreich abgeschlossen und das Priesterseminar absolviert hat. Deshalb ist man noch kein Pfarrer.

Man geht als Kaplan in die Praxis und kann sich um eine Pfarre bewerben. Der man dann als Pfarrer vorsteht, wenn die Bewerbung Erfolg hat. Was, neben den spirituellen Belangen und seelsorgerischen Aufgaben, auch Seiten hat, wo ein Geistlicher einem Unternehmer gleicht. In der Verantwortung für Betriebsstätten. Und für Angestellte.

Im kulturellen Kontext fällt mir ja kein anderes Amt ein, daß einen derart wuchtigen Hintergrund hätte, überdies eine so lange Tradition und Kontinuität. Das ist ein sehr bemerkenswerter Teil solcher Positionen. Übrigens, ein Dechant hat die Verantwortung über mehrere Pfarren. Und wird von den Amtsträgern direkt gewählt. Nicht mal ein Bürgermeister, schon gar nicht ein Bezirkshauptmann steht im Zentrum solcher Verfahrensweisen.

Und wenn der Pfarrer "volles Haus" hat, womit Dechant Kowald jeden Sonntag rechnen darf, dann heißt zu predigen, allwöchentlich zu rund tausend Menschen zu sprechen. Das ist also in seiner Unmittelbarkeit und Dauer eine ganz bemerkenswerte Situation innerhalb eines Gemeinwesens. Als Kommunikationsakt und als soziales Ereignis im weitern Sinn.


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7•06