Log #6 Mein vorheriger Eintrag zum Thema "Der Arzt
ist ja gewissermaßen aus beruflichen Gründen (für Momente) distanzlos." hat mir
noch die Schilderung einer sehr anregenden Episode von Georg Kurtz eingebracht:
Einer meiner Lehrer hat sich meist von den jüngsten sehr
aufgeregten Kollegen die Patienten vorstellen lassen mit allen Befunden und so, auch mit
einer Arbeitsdiagnose. (Sonographie, Röngten-Labor, Vorgeschichte, Tastbefund, abhorchen,
da kommt schon was zusammen an Material.) Wenn die Kollegen dann so richtig aus dem
letzten Loch gepfiffen haben und jedes Detail herausgekitzelt haben, sagte er meist ganz
ruhig:
"Jetzt schreiten wir zum Äußersten! ... und sehen uns den Patienten an!"
Das find ich so gut, oft kommens erst dann drauf,
dass sich manchmal TATSÄCHLICH AUCH EIN MENSCH hinter diesen Befundbergen versteckt. Und
aus " Der Galle von 113." wird ein "Servas Heli, was machst du da?"
Sehr lustig das.
Ich hab den Eindruck, diese Geschichte läßt sich auf eine
ganze Reihe von Professionen im Gemeinwesen übertragen.
Cut!
Zur Runde, die ich gebeten habe, sich für dieses Projekt
("Next Code") zu interessieren, gehört auch Ilse Lichtenegger. Als Pädagogin
ist sie mit den vielfältigen Vermittlungsfragen vertraut. Dann das gehört zu den ewig
kniffligen Dingen. Wie man Menschen gewinnt, daß sie sich auf neue Eindrücke einlassen.
(Foto: Richard Mayr)
Und als Kunsthistorikerin ist sie mit den
Orientierungsfragen vertraut, die sich grade auf dem Kunstfeld laufend ergeben. Ich
vermute, es gibt nur wenige Bereiche, wo einerseits ein mächtiger Kanon vorgibt, was als
bedeutend gilt und was nicht. Andrerseits ist praktisch jeder Tag des Geschehens von neuen
Impulsen bestimmt, um diesen Kanon in Frage zu stellen. Wobei dann ein Teil dieser
"Anfechtungen" selbst mit der Zeit in diesen Kanon aufgenommen wird.
Cut!
Unlängst trafen sich einige von uns, um zu erörtern,
wovon das Selbstverständnis der Menschen in dieser Stadt geprägt sein mag. (Ich habe
noch etwas Unklarheit über den Terminus "Ackerbürgertum" und wie er auf
hiesige Familien anwendbar sei.) Bei der Gelegenheit traf ich im Café meinen Signore, Hansi Grimm,
der unlängst noch eine kleine Bar geführt hatte, in der unsere "Verschwörung der Poeten"
zuhause war.
Was gibt einem Lokal Besonderheit und Anziehungskraft? Eine
kleine Episode läßt es erahnen. Ich saß gerne und oft in einem ruhigen Winkel dieser
Bar, lesend, genoß den Wein und die Lebendigkeit um mich.
Eines Tages, ich hatte mich eben im vertrauten Fauteuil
niedergelassen, trat der Signore neben mich, drückte einen Schalter, "Du siehst ja
sonst nix." ... Er hatte eine schlanke Leselampe beschafft und in "meiner
Ecke" aufgestellt.
Zurück zu unserer Debatte, die von heftigen Skizzen auf
Papier begleitet war ... in der agrarischen Feudalzeit waren Fürsten und Bischöfe die
maßgeblichen Instanzen, Adel und Klerus die bestimmenden Eliten. Der "Dritte
Stand", das Bürgertum, hatte da noch einen weiten Weg zu seiner Emanzipation vor
sich ...
Wie sieht das HEUTE aus? Was verleiht Würde und Rang?
Wodurch gewinnt man in einer Stadt wie Gleisdorf Sozialprestige? Was ergibt sich aus
Abhängigkeiten (angstbestimmt?) und was erreicht man durch Konfliktvermeidungsstrategien?
Fragen über Fragen ...
(Große Ansicht)
Ohne daß ich diese Skizze von Barbara Baumgartner würde
erläutern wollen, ich mag diese unterstützenden Visualisierungen von Gedankengängen
sehr. Sie entfalten oft eine ganz eigentümliche ästhetische Qualität und machen ein
Stück von dem sichtbar, was im Geist von Menschen vorgeht.
Vom Arzt Kurtz hab ich noch den Hinweis mitgenommen, die
Rettung sei eine "Welt in der Welt". Gleisdorf hat ja eine eigene Einsatzzentrale. Das
ist also ein interessanter Brennpunkt.
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