martin krusches [flame] backroads
Steyr-Fiat 600
Kürzlich beim Friday Night Cruising der Alltagsklassiker
in Graz: Ich red gerade davon, daß mir heute noch ein Auto mit Wow-Effekt fehlt, da
fährt es eben vor. Ein in all seinen Spuren aus den Jahrzehnten unretuschierter Steyr-Fiat
600. Warum der Unscheinbare Sensationswert hat? Das will ich gerne erläutern. Ohne
diesen Klassiker wäre der Fiat Nuova 500 nicht möglich gewesen. Er markiert den
Umbruch einer ganzen Ära.
Österreich verfügte zu Beginn des 20. Jahrhunderts über
eine fulminante Automobilindustrie mit Produkten von Weltrang. Das war nur einer der
Zweige innerhalb einer blühenden Wirtschaft, welcher im Großen Krieg unsinnig zugrunde
ging.
Danach hatte vor allem eine einstmals gut situierte Mittelschicht private Vermögen zum
Beispiel über Kriegsanleihen verloren. Damit fehlte der Automobilbranche die
kaufkräftige Kundschaft. Nach 1938 mußten sich die Betriebe den Vorgaben der Nazi
fügen, wobei ganz offensichtlich deutsche Konzerne bevorzugt waren und feine Produkte wie
Jenschkes Steyr Baby flott vom Markt verschwanden.
In der zweiten Republik begann man in Steyr erst einmal,
Fiats in Lizenz zu bauen. Die großen Modelle fanden nicht genug zahlungskräftige
Kundschaft. Aber bevor 1957 in Graz das Puchschammerl vom Band lief, produzierte
die historische Steyr-Daimler-Puch AG den heutigen Klassiker der
Volksmotorisierung in Europa, den 600er als Steyr-Fiat 600.
Konstrukteur Dante Giacosa hat in wenigen Sätzen zusammengefaßt, was ihn bewog, nach dem
Topolino (Fiat 500) ein völlig neues Automobil-Layout einzuführen:
Der experimentelle 400 hatte gezeigt, daß nur ein Zweisitzer mit dem
normalen Layout auf 450 kg gehalten werden konnte, das heißt, der Motor vorne und
Heckantrieb. Um einen kleinen Viersitzer zu produzieren, dessen Gewicht nicht höher als
das des 500ers wäre und der zu niedrigeren Kosten möglich war, mußten wir das
traditionelle Layout aufgeben und die Anordnung der Motor-Getriebe-Einheit entweder ganz
nach vorne oder ganz nach hinten legen. Die Kalkulationen wurden durch die Prototypen
100 und 102 bestätigt."
Was man also jüngst bei den Alltagsklassikern
sehen konnte, ist ein Meilenstein der europäischen Automobilgeschichte. Ein Wagentyp, der
uns vor allem noch als Polski Fiat, als spanischer Seat und als
jugoslawische Zastava, auch als scharfer Abarth unterkommt. Doch die
600er aus Steyr sind sehr selten geworden.
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1957 bis 2017
60 Jahre Steyr-Puch 500
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