martin krusches [flame] logbuch / blatt #43
Eine Ausfahrt (Teil 1)
Als ich auf meinem billigen Fahrrad ankam,
sagte einer der Männer aus dem Team grinsend: Das ist viel zu jung! Freilich,
es hätte, um den Tag zu würdigen, wenigstens ein Puch Clubman sein
sollen. Hab ich aber nicht. Also bat ich um Nachsicht. Und ich freute mich über das Pucherl
im noch leeren Festzelt. Hausherr Gottfried Lagler war mit Vorbereitungen
ausgelastet, ich konnte mich in Ruhe umsehen.
Steyr Puch 500 D
Der Lauf der Dinge, private Emotionen,
größere Zusammenhänge, also zum Beispiel die der Sozialgeschichte nach dem Zweiten
Weltkrieg... nein! Es könnte auch ganz anders beginnen. Vergnügt, in Sonntagslaune, ohne
gewichtige Gedankengänge. Aber mit mir geht es eben so komplex zur Sache. Das liegt am
Thema.
Die Apfelblütenfahrt ist in erster Linie eine Geselligkeit
vergnügter Menschen mit einem Faible für klassische Automobile. Diesmal war es außerdem
eine Annehmlichkeit unter weitem, sonnigem Himmel, nachdem der kalte und verregnete
Freitag nichts Gutes hatte ahnen lassen. Aber der Sonntag machte sich wie im Bilderbuch.
Exzellent! Als wäre schon Sommer.
Gottfried Lagler, leibhaftiger Motor des Geschehens, hatte mich verständigt und mir
vorgeschlagen, einen Teil der Tour bei ihm im Pucherl zuzubringen. Wie der
legendäre Don Vito Corleone zu sagen pflegte: Ein Angebot, das man nicht
ablehnen kann. Zumal ein quietschgelber Steyr Puch 500 D mit mattschwarzen
Deckeln mein erstes amtliches Auto gewesen war. Da bin ich also anfällig.
Volvo 121 "Amazone"
Was aber fand ich vor, als ich den Stellplatz
erreichte? Neben einem schillernden Dune Buggy stand eine blitzblanke Amazone.
In so einem Volvo hatte ich meine überhaupt ersten Kilometer auf einer öffentlichen
Straße zurückgelegt. Ohne Führerschein, versteht sich. Beim Schalten mußte ich damals
immer nachsehen, wo der nächste Gang liegt, was mich laufend vom Kurs abbrachte.
Also ein Pucherl und ein 121er Volvo; wenn ich die sehe, fühlt sich das nach Zuhause und
Jugend an. Derlei mag eines der Motive sein, warum sich jemand dem Erhalt eines Fahrzeuges
widmet, das 30, 50 oder mehr Jahre am Buckel hat.
Diese Aufgabe, die Fahrtüchtigkeit von Young- und Oldtimers zu gewährleisten, verlangt
allerdings sehr viel mehr als meine emotionalen, biografischen Zugänge. Da ich selbst
eine handwerkliche Blamage bin, weiche ich auf ein anderes Feld aus, auf das der
Mobilitätsgeschichte. Dazu muß man bloß genug Geschick haben, um Bücher in Händen zu
halten. Dann gehts schon. Auf dem Gebiet kenne ich mich also heute ganz gut aus.
Fiat 500 "Topolino"
Doch wo Schrauberei gefordert ist, wäre ich
nur mehr für grobe Hilfsarbeiten begabt. Als versierter Automobil-Paparazzo bin ich dann
ordentlich in Bewegung gekommen, denn was diese Apfelblütenfahrt
auszeichnete, war eine hervorragende Mischung von Fahrzeugen, mit denen sich die zweite
Hälfte des 20. Jahrhunderts gut darstellen läßt.
Das war eine radikale Ära, weil Europa seine Massenmotorisierung erst nach dem Zweiten
Weltkrieg erlebte. Bis dahin war nur ein Bruchteil der Autos auf den Straßen in
Privatbesitz gewesen. Firmen- und Behördenfahrzeuge machten das Gros des
Verkehrsaufkommens aus.
VW TYP 10/14 "Hebmüller
Cabrio"
Der von Hitler skizzierte und von Porsche
konstruierte Volkswagen sollte das ändern. Ebenso der in jenen Tagen schon verfügbare
Fiat 500 Topolino. Sie waren zwar für die breite Bevölkerung nach wie vor zu
teuer, aber die Idee bestand darin, ein Auto zu haben, das sich die Arbeiter, die es
bauten, auch leisten konnten.
Das konnten sie weder beim Topolino, noch beim
Volkswagen, der ohnehin erst nach dem Krieg in Serie ging. Das
phantastische 1949er Hebmüller Cabrio, von dessen Auftauchen ich in erhebliche
Unruhe gestürzt wurde, ist damals fast so unerschwinglich gewesen, wie heute. Eines jener
Fahrzeuge, das selbst mit viel Geld kaum zu erwerben ist, weil nur selten etwas davon auf
dem Markt ist.
So begann also diese Apfelblütenfahrt nicht nur mit zwei Ikonen
meiner ganz persönlichen Automobilgeschichte, sondern auch mit zwei Schmuckstücken der
europäischen Massenmotorisierung.
[Fortsetzung]
[Die Gefolgschaft des Ikarus]
reset
[19/12] home |