dorf 4.0 / ich bin eine geschichte / feature #9

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Geschichten: Karl Bauer, Tierarzt, Gleisdorf

[Teil #1] Damals bestand die Volksschule aus zwei Klassen, wobei die erste und zweite, sowie die dritte und vierte Klasse zusammengefasst wurden. Auch konnte man noch bis zu acht Schulstufen absolvieren. Beim Turnunterricht auf der Wiese spielten wir gerne Völkerball, Fußball war noch kein Schwerpunkt. Der Schulweg zur Volksschule nach Unterbuch war über zwei Kilometer lang, deswegen warteten wir Kinder von der „Leitn" oft zusammen und machten eine Abkürzung durch die Felder.

Beim Nachhause-Gehen wurde das Schulgwand allerdings durch unser Herumspielen oft verschmutzt – ein Grund für Schimpfausbrüche meiner Eltern. Dagegen war meine Schultasche eine sehr robuste Rückentrage mit zwei Riemen und neuen Messing-Schnallen und bestand aus ca. einem halben cm Rindsleder! Sie war schneeballsicher und unverwüstlich, aber eben nicht wasserdicht. Damals lebte man noch stark mit jahreszeitlichen Einflüssen und Naturgewalten. Nach starken Regenfällen gab es mindestens zweimal jährlich Hochwasser, wenn der Safenbach überging und sich die Wassermassen an der Wirtshausbrücke stauten und die sauren Wiesen fluteten. Damit wurde uns der Schulweg abgeschnitten bzw. verlängert, da wir nun auf der Straße gehen oder daheimbleiben mussten. Damals gab es noch keinen Ausnahmezustand, für uns Kinder war es ein tagelanges Abenteuer, im Wasser Tiere zu fangen und mit den Holzbrücken als Floß zu fahren. Wenn das Wasser allerdings über die Nacht zurückging und unser Floß woanders liegenblieb, wurden die Dorfbauern uns Buam gegenüber etwas emotional. Mit dem Bau der Südautobahn und der Regulierung des Safenbaches durch das Tal verschwand dieses wiederholte Naturschauspiel.

Was die Schule betraf, war die meinen Eltern sehr wichtig, da sie immer wieder betonten, dass man nur mit der Schule etwas werden kann. Dies wurde uns sicher auch erleichtert durch die Nähe zum Bahnhof, die Schulfreifahrt und später die Gratis-Schulbücher. Da dies damals trotzdem eine Ausnahme war, hat uns die Lehrerin in der vierten Klasse mit Zusatzstunden und –aufgaben extra auf die Mittelschule vorbereitet. Dem Herrn Direktor war es andererseits ein Anliegen, dass seine Schüler Schachspielen lernten und so gab es ein jährliches Weihnachtturnier, an dem bis zu 80 Personen teilnahmen. Wir drei Brüder bekamen nach der Volksschule alle schulischen Chancen, konnten in die Mittelschule (BRG) nach Fürstenfeld gehen und maturierten erfolgreich.

Meine Mutter hat mir bis zur Matura immer wieder vor der Stallarbeit und trotz der vielen Hausarbeit geholfen und Aufsätze geschrieben, sodass die Lehrer bis zum Schluss ihren Stil gut kannten. Ich selbst habe mich mit Schundhefteln (Fix und Foxi, Mickey Mouse, Donald Duck, …) beschäftigt, sie gesammelt, getauscht und gelesen, was meinen Eltern ein Dorn im Auge war, da ich damit (wie die Kinder heute mit dem Smartphone) viel Zeit verbrachte. Um mich davon wegzubringen, begannen sie mir Bücher zu schenken, wie die Columbus- oder die Winnetou-Serien, Auch ließen sich meine Eltern in einer Buchhandlung beraten und versuchten es mit ernster Literatur, indem sie mir ein Buch von Hugo von Hofmannsthal „Das erzählerische Werk" (eine Literatursammlung) schenkten. Dafür war ich wohl noch etwas zu jung und habe es absolut nicht verstanden. Zu Hause wurde damals schon nach dem dualen Ausbildungs-Prinzip von Lernen und Arbeiten gelebt, wobei wir die Nachbarskinder immer um ihre Freizeit beneideten.

Ein wichtiger neuer Bildungsträger wurde für uns Kinder auch der Fernseher. Zur Volksschulzeit gab es den ersten Fernseher bei unserem Nachbarn, dem Fleischhauer. Dort trafen wir Kinder uns jeden Mittwochnachmittag um fünf Uhr zum Kasperlschauen in Schwarz-Weiss. Mindestens so wichtig war aber auch, dass wir immer Wurstsemmeln bekommen haben; etwas, was es zu Hause noch nicht gab. Dadurch bekamen wir auch schon früh einen Einblick in die Schlachtabläufe, wenn wir bei Schlachtungen dabei sein konnten und frisches Rindsblut zu trinken bekamen. Später kauften wir auch selbst einen Fernseher. Als wir Brüder später einen Farbfernseher haben wollten, haben uns dies die Eltern erlaubt. Wir mußten Äpfel klauben um ihn kaufen zu können. Da damals wie heute der Preis für Pressobst sehr niedrig war, mussten wir schon einige Fuhren verkaufen, aber das Ziel war uns sehr wichtig und klar. Damit konnten wir uns Serien wie Flipper, Heidi, Daktari, Bonanza, usw. ins Haus holen. Erst nach Jahrzehnten wurde mir bewußt, dass man alleine durch das Fernsehen auch Fremdsprachen erlernen kann.

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