dorf 4.0 / ich bin eine geschichte / feature #8
Geschichten: Karl Bauer,
Tierarzt, Gleisdorf
Der Sonntag war in meiner Kindheit und Jugend immer ein
Feiertag, wo die Arbeit ruhte und nur das Vieh versorgt und Pflegearbeiten durchgeführt
wurden. Es war zwar kein Schultag, trotzdem mussten wir früh aufstehen und im Stall
mithelfen, da um acht Uhr die Messe begann. Um halb acht mussten wir uns dazu vorbereiten
und den Sonntagsanzug anziehen. Früher gingen die Oberbucher zu Fuß in die Kirche nach
St. Magdalena am Lemberg, wo ein schöner Waldweg hinauf führte. Ich selbst und meine
zwei Brüder sind von den Eltern schon mit dem Traktor in die Kirche gebracht worden - ein
technischer Fortschritt, da wir die Ersten im Dorf waren, die sich einen 15er Steyr
kaufen konnten.
Dieser wurde später auch noch mit einer Heck-Hydraulik und
einem Elektrostarter aufgerüstet, da das Kurbeln mit Vorglühen sehr anstrengend war. Da
saßen wir zu zweit angebunden auf den zwei hinteren Kotflügeln, auf denen ein
Schutzrahmen montiert war. Meist hat der Vater den Traktor vorher mit dem Schlauch
abgespritzt und ihn so vom groben Schmutz der Woche befreit, nachdem wir schon eine
Wasserleitung hatten.
Vor der Kirche haben wir meist am gleichen Platz
eingeparkt, sind pünktlich eingetroffen und haben immer die gleichen Kirchenstehplätze
eingenommen, da die Sitzplätze reserviert waren. Später sind wir auch mit dem größeren
Traktor Steyr 768 gefahren, der hinten zwischen den Rädern eine breite Sitzbank
hatte und fast doppelt so schnell war. Nach der Kirche fuhren wir wieder heim, da die
Mutter kochen musste. Dazu gab es immer Backhendl aus eigener Produktion, die bereits am
Vortag abgefangen und geschächtet und gerupft werden mussten.
Meist waren es aber alte Legehennen, die als Suppenhühner
endeten. Beim Denken an die fette Hühnersuppe bekomm ich heute noch eine Gänsehaut, aber
die Eltern bestanden darauf, weil sie angeblich gesund sein sollte. Die Reste der
Eierpanier waren für mich immer eine Vorspeise der besonderen Art.
Wir haben zum Mittagessen den Anzug gegen das Sonntagsgwand
getauscht, um den Anzug zu schonen. Später, wenn ich von der Jugendstunde oder vom
Kirchenwirt nach Hause gekommen bin, war's ein Sonntagnachmittags-Gwand, mit dem wir
Verwandte oder Bekannte besuchten.
Zum Schulgehen bekamen wir meist feine Sachen von der Tante
aus Leoben, die meine Cousins nicht mehr brauchten, oder von einer Verkäuferin aus Wien,
die monatlich zu Hause mit einigen Säcken voller Kinderkleidung vorbeikam. Als Ältester
von drei Buben habe ich meine Kleider oft an meine kleineren Brüder weitergegeben, wenn
ich hinausgewachsen war, meine Eltern aber schauten auch immer, dass meine Brüder neues
Gwand bekamen.
Erst am Abend, zur Stallzeit, zogen wir wieder das
Werktagsgwand an, um damit zu arbeiten. Dann, ab 1966, begann eine neue Epoche. Wir
kauften uns einen roten VW 1300 (Käfer), ein neues Statussymbol, das anfangs nur
zu Sonntagsausfahrten (Kirchfahrten und Verwandtenbesuche) benützt wurde. Endlich zog es
nicht mehr so beim Fahren und die Heizung war ein neues Luxusgefühl, das man durch den
Duftbaum auch riechen konnte. [Teil #2]
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