Es war diese Woche der Dünnhäutigkeit. Coco
hatte aus New York gemailt:
„Dear martin -- Doron has asked me to send you the
files & an invitation to join the International Artist Museum Markers4 section of the
Venice Biennale.”
„The wandering Library” auf der 50. Biennale
in Venedig. Wie sagt Don Vito Corleone in „Der Pate“? Er sagt: „... ein
Angebot, das man nicht ablehnen kann.“
Eine Session mit meiner Netzkunzt-Crew
und das Konzept kam in den Kontrast, wuchs zu einer richtigen Geschichte. Jörg und
Jürgen waren schon in Gang, Josef würden wir später einflechten. Es mußte alles sehr
schnell, sehr präzise laufen. Ich hatte noch in der Nacht Mails losgeschickt, um Leute
für Übersetzungen ins Englische, Italienische und Serbische zu gewinnen.
Am folgenden Vormittag saßen wir in
„Rick´s Café“ und brachten „TWYLYFE“ auf die Reihe. Mit der strikten Orientierung: „Die
Erzählung geht weiter!“
Unser Zeitrahmen war schlagartig
geschrumpft, da wir entschieden hatten, auf Achse gemeinsam nach Vendedig zu fahren, um
unser Objekt persönlich zu liefern. Und den Trip zu einem Teil der weiterführenden
Geschichte zu machen. Zur noblen Distanz der Website die leibliche Anwesenheit. Reise.
Quest. Schauen, was geschieht. Herausfinden, was da noch zu klingen beginnt ...
Wenn ich so unter Strom stehe, wenn alles
gelingt, höre ich auf zu schlafen. Ein gleichermaßen quälender und beglückender
Zustand. Wild Betty saß irgendwo in der Obersteiermark, Dead End County, und mailte mir:
„Aber lieber Martin! was wärs denn
dann, wenn du nicht jetzt überladen wärst, du würdest ja gar nicht merken, dass was
voran geht und geschehen ist.“
Huh! Woran sie den Rat hängte:
„cool down, wärm dich am rotwein und an diesen wundern und schlaf drüber.“
Was mir mein Signore eingelöst hat. Ein
warmer Winkel, vorzüglicher Wein ... und ich wußte, ich würde tags darauf zeitig aus
dem Bett müssen. Denn wir hatten vor, mit der „verschwundenen Galerie“ bei
der "Chance
B" in Pischelsdorf Station zu machen. In einem Haus, wo schwer behinderte
Menschen den Tag verbringen. Johanna hatte mich zum Frühstück geladen, damit wir die
Session besprechen konnten und ihre Leute Gelegenheit fänden, mich kennenzulernen.
Ich hab dort also im Overdrive und mit
sattem Adrenalinspiegel eingecheckt. Gerade rechtzeitig, um in der Begrüßungsrunde der
„Blauen Gruppe“ und in Benjamins Armen zu landen. Bei der Anschließenden Jause
hat Markus mit seinem Rollstuhl neben mir eingeparkt.
Und ich schwöre, ich hab noch nie
in meinem Leben irgendjemanden so laid back beim Essen gesehen. Seine Bewegungen
schienen, als würden wir uns zwanzigtausend Meilen unter dem Meeresspiegel befinden.
Nichts, absolut nichts mochte hier sein Timing anfechten. Es hat mir im ersten Moment fast
die Kette ausgehängt, als ich spürte, daß ich hier völlig falsch
getaktet bin. Und fünf Minuten später waren meine Pläne für den restlichen Tag einfach
über den Haufen geworfen. Es schien lächerlich, schnell sein zu wollen.
Johanna sprach noch davon, welche Bedeutung das habe, wenn jemand
„seine Zeit“ behalten dürfe. Und was andere davon lernen könnten: Langsamkeit
als Qualität zu begreifen und zu akzeptieren.
Da saß nun Markus als Souverän der „Markus-Zeit“, um
allein durch sein Hiersein erahnen zu lassen: „Normzeit“ ist kein Naturereignis.
Sie ist eine menschliche Konstruktion. Wer darf sagen, welches Zeitschema gilt? |