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Die Tätigkeit des Lesens und das WWW
vertrügen sich nicht sonderlich, behauptete Usability-Papst Jacob Nielsen in seiner ,alert box' und
empfiehlt scannable text, den mit Gliederungspunkten verzierten Triumph der Schlagwörter.
Michael Charlier setzte mit seinem Projekt ,netcontent' dagegen: scaleble statt scannable soll der Text sein, der
schnelle Überblick an der Oberfläche, ja, aber auch mit der Möglichkeit der unendlichen
Vertiefung darunter. Walter Grond, Martin Krusche und Klaus Zeyringer haben damit nun
Ernst gemacht. Die Basis bildet Gronds Roman ,Old Danube House' - bei Haymon als Buch erscheinen und angewiesen auf dem Papier zu bleiben. Das Webprojekt [house] bietet mit Subtext, Kommentar, Diskurs und Verweisen den skalierbaren Apparat dazu. Im Unterschied zur von Nielsen geforderten ,inverted pyramid' folgt [house] dem Prinzip des Eisberges: in vier Ebenen mit je eigenem Zugang verbreitert sich das Projekt in der Tiefe um auf der untersten (Hintergund-)Ebene Schnittstellen nach außen zur Verfügung zu stellen: die Erweiterung ins uferlose Web und die Öffnung für das Gespräch. Dies ist - nicht zuletzt weil der Roman selbst an drängende Zeitfragen rührt - eine spannende Sache, die allerdings weniger die im zugehörigen Überbau beschworenen Stärken des Hypertextverfahrens, als vielmehr die der digitalen Publikation gekonnt ausspielt. Die Ordnung der Dokumente ist nämlich durchaus keine rhizomatische, sondern bleibt überwiegend hierarchisch. Damit hätte das Netzprojekt ebenso in print erscheinen können: als Kommentarband zum Roman. Die unbeschränkte Erweiterbarkeit aber ist nur in einem digitalen Medium, die Leserbeteiligung nur via Netz möglich. Vereinfacht gesagt folgt [house] dem Konzept der kritischen Fanpage oder dem des Feuilletondiskurses. Dies aber auf einem Niveau und mit einem Ernst, der einem einzelnen belletristischen Werk im Web bislang nicht vergönnt war. Eine Innovation, die vielleicht weniger dem literarische Schaffen für das Web, gewiss aber den literaturwissenschaftlichen Schreibverfahren neue Wege aufzeigt. Um Literaturwissenschaften geht es bei [house] allerdings nur am Rande. Schnell weist die Vorlage über den Bezirk der Belletristik hinaus. Das "Kunstprojekt über das Fremde" stellt Fragen, die uns alle angehen, z.B. die, worin das Fremde sich wem eigentlich zeigt. Und wie einst der populäre Sachtext in die literarische Fiktion Einzug hielt, sehen wir nun das gemeinsame Nachdenken zur Phantasie eines Autors hinzutreten. So wird [house] zum Netzprojekt, das nicht erneut den Tod des Autors beschwört, sondern das mit der Veränderung der Lektüre ernst macht. (08/00) [Dirk Schröder] Weitere Links: [Oliver Gassner ~ carpe.com-Literatur Online] |
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