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Martin Krusche


Die Pflege der Barbaren

Wen oder was ehren wir mit der Pflege von Jahngassen, Kernstockgassen, Roseggergassen, unter Zugabe des einen oder anderen Denkmals? Es ist gewiß als Ehrung gedacht, eine Straße nach jemandem zu benennen, einem Denkmal Namen und Gesicht einer realen Person zu geben. Darf ich davon ausgehen, daß Ehrwürdigkeit die mindeste Grundlage solcher Ehrung ist? Stellt sich die Frage, was an den genannten Herren und ihresgleichen so zu ehren sei, daß heute sogar noch Volksschulen nach ihnen benannt sind.

Wo derlei Personen schriftstellerisch in Erscheinung traten, lautet das heutige Urteil der Literaturwissenschaft ziemlich einhellig: erbärmlich. Einzig Rosegger ist darin mit manchen seiner Arbeiten eine Ausnahme. Widmet man sich den Inhalten diverser Publikationen dieser Männer, kommt man zu einem klaren Befund: Menschenverachtung. Daß man bei Landesikone Rosegger diesen Teil seiner Werke heute lieber vergessen hat, wird kein Zufall sein.

Mit den Jahn-, Kernstock-, und Roseggergassen werden also Personen des kulturellen Lebens geehrt, die in entscheidenden historischen Phasen der Entwicklung dieser Nation eine sehr saloppe Haltung zur Menschenwürde zeigten. Spätestens aus heutiger Sicht muß man feststellen: eine völlig unakzeptable Haltung zur Menschenwürde.

Ich kann gar nicht genug staunen, wie blutrünstig sich Rosegger und Kernstock zum Beispiel im „Steirischen Waffensegen“ gegen slawische Mitmenschen äußerten, während diese gerade für den gemeinsamen Kaiser im Felde standen.

Was man sonst noch so an nationalistischen, deutschtümelnden und rassistischen Auslassungen solcher Autoren finden kann, sträubt einem nicht nur die Nackenhaare. Es macht auch besser verständlich, worauf die vielfach halbgebildeten Nazi-Rabauken aufbauen durften, als sie ihr verbrecherisches Regime festigten.

Rassenhaß und Nationalismus sind immer ein verläßlicher Hinweis auf eine Krise der Mächtigen. Ein bewährtes Mittel gegen solche Krisen ist es, intern (Minoritäten) oder extern (Nachbarn) Menschen zum Abchuß freizugeben.

Was verlangt, wie die Erfahrung der Nazi-Verbrecher deutlich zeigt, daß man diese Zielgruppen zuerst gründlich herabwürdigen muß.

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Weil sonst den Schergen leicht die Courage ausgeht, Hand an die Opfer zu legen.

Das ist die Stunde jener Schrifsteller und Journalisten, die sich als Günstlinge des Systems den Mächtigen andienen und sich so Vorteile verschaffen. Indem sie das Geschäft der Verächtlichmachung übernehmen. In der Verbreitung ihrer herabwürdigenden Schriften liefern sie die Rechtfertigung dafür, den Opfern auch noch die angebliche Schuld an den erlittenen Verbrechen zuzuschieben. Da muß man sich einmal in den Romanen eines ebenfalls mit Straßenbenennungen geehrten Rudolf Hans Bartsch und anderer umsehen. Daraus erfährt man, wie das gemacht wird.

Wenn man nun den meisten dieser Autoren weder literarischen Rang noch akzeptable Inhalte attestieren kann, wenn man überdies beachtet, daß sie mit ihren Texten nationalistische Diskurse angefeuert haben, denen grauenhafte Taten, Völkermorde folgten, wird man vielleicht die einschlägigen Straßenschilder und Denkmäler nicht gleich abschrauben. Denn sie dokumentieren eine historische Faktenlage, die zur Debatte stehen sollte.

Aber in einer zeitgemäßen Demokratie müßte diese öffentlichen Belege der Unmenschlichkeit doch angemessen kommentiert werden. Damit man sie nicht als Ehrung von Menschen mißversteht, die der Menschenwürde gespottet haben. Die einem der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte als vorauseilende Dekorateure dienlich waren.

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