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freitag, der 1. jänner 2010, part #2

Posted on Januar 3rd, 2010 der krusche

zur erinnerung: ich möchte mit der schilderung eines tages, zweimal das überschreiten von mitternacht, an einem beispiel demonstrieren, wie die vier genres alltagskultur, voluntary arts, kunsthandwerk und gegenwartskunst in meinem leben in einander gehen. eine hierarchische odnung dieser genres erschiene mir als unfug.

ich hatte die nacht zum ersten jänner im theater verbracht. das stück “pokondireni tikwan” (was eine art aufgeblasenen kürbiskopf meint) basiert auf einem populären schwank, der sich über bauern belustigt, die es zu etwas gebracht haben und sich im lebensstil plötzlich an paris orientieren.

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da ist ein bewegter serbischer herr, der es auf einmal mit dem ballett und dem sehr feinen benehmen hat. auch sein diener wird aufgebrezelt, muß haltung gewinnen und etikette beherrschen. die grimmigen seitenhiebe auf eu-ambitionen sind ganz unübersehbar. am ende des stückes wird “monsieur par excellence” in einer kutte stecken und ins kloster aufbrechen.

in der darauf folgenden nacht hatte ich mit rasa doderovic über den tod des patriarchen pavle gesprochen. mich interessierte seine einschätzung der konsequenzen. rasa hatte pavle geschätzt, den (wieder) wachsenden einfluß der kirche auf die politik aber kritisisch beurteilt. es sei serbien als eine fundamentalistische orthodoxie denkbar, meinte er.

wir sind bei uns in österreich nicht mehr damit vertraut, diese verknüpfung deutlich wahrzunehmen. obwohl kirche und staat getrennt sein sollen, macht beispielsweise genau in diesen tagen ein steirischer politiker mit dem thema “minarett-verbot” von sich reden. wie gerne sich politiker manchmal hinter den kitteln von pfarrern in deckung begeben, anstatt die aktuellen probleme aus eigener kraft zu bearbeiten … das thema ist also stets präsent … ein kleiner rückblick:

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hier hatte ich in einer arbeit von zivko grozdanic posiert und mich mit diesen pavle-variationen von zivko fotografieren lassen. (das kirchenoberhaupt war auch real von jener kleinen statur.) zivko hatte in dieser installation den patriarchen mit einem werk von rasa todosijevic konfrontiert. der wiederum, todosijevic, ist im westen wohl vor allem durch sein video “was ist kunst” bekannt.

diese schlenkerer hab ich hier vollzogen, um zu illustrieren, in welchen kontext-sturm wir manchmal hineintaumeln. einige stunden später fuhren wir an klöstern der fruska gora vorbei, um dann hinter rakovac in der zerrütteten hütte des mönchischen mechanikers zu landen. kirche und staat …

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aber noch habe ich das theater vor mir. da steckte überraschend eine dame ihre nase in meinen becher und konstatierte: “das ist kein guter wein.” ich antwortete: “d’accord. aber der beste, den ich kriegen konnte.” “ich werde einen besseren finden”, sagte sie. so kam es auch. (rasa raunte mir zu: “du unterhältst dich da mit einer legende.”)

schauspielerin lidija stefanovic hielt wort und brachte einen exzellenten weißwein aus mazedonien in’s spiel. diese boheme-haften geschichten gehören natürlich dazu. da treiben wir in plaudereien, anspielungen, geschwätz auf den wellen der drinks. geschichten und verschwörungen. versäumte rebellionen und frische wünsche.

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ein wenig schlaf ging sich aus. dann stand nikola macura (“superartist”) mit seinem auto vor der haustür, nikola dzafo und vesna grgincevic waren hinten auf der bank, mirjana selakov setzte sich zu ihnen, ich faltete meine beine für den verbleibenden platz neben “superartist”.

eine ruhige fahrt nach beograd. ich habe im part #1 borka pavicevic schon erwähnt. ihr “zentrum für kulturelle dekontamination” wurde vor 15 jahren eröffnet. das ist eine geschichte des intellektuellen widerstandes gegen die tyrannis. keine selbstverständlichkeit.

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der zeitungsausschnitt zeigt borka mit slavenka drakulic, von der ein bewegendes buch über die täter im jugoslawischen sezessionskrieg stammt. (“keiner ist dabei gewesen”) drakulic war gemeinsam mit dubravka ugresic und einigen anderen autorinnen in den vergangenen jahren mit äußerster wut herabgewürdigt worden. diese frauen sind als “hexen” gebrandmarkt und ausdauernd belästigt worden. ugresic gibt in ihrem buch “kultur der lügen” einen detaillierten eindruck davon.

die treffen im “czkd” (“centar za kulturnu dekontaminaciju”) jeweils am 1. jänner des neuen jahres sind für viele kunstschaffende, journalisten etc. obligat. borka meinte, sie hätte lieber weniger graue haare gesehen. aber es war das erste nachkriegs-neujahr serbiens ohne visa-pflicht und wir durften davon ausgehen, daß sehr viel junge leute ganz wo anders feierten.

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keineswegs überraschend, daß wir dort auch milica tomic trafen, mit der mirjana und ich seit kurzem an einem gemeinsamen vorhaben arbeiten. [link] vom schwank “pokondireni tikwan” zum echo der rigorosen auseinandersetzung mit der unmittelbaren jugoslawischen geschichte …

[balkan buro]


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