Kunst unter
Bedingungen der Vernetzung"
art under net conditions"
In der Antike wurden Artes" und Techné",
Künste und Handwerk, als verschiedene Kategorien beschrieben. Seither wird laufend neu
verhandelt, was unter Kunst" zu verstehen sei. (Einen durch die Zeiten
gültigen Kunstbegriff gibt es nicht.)
Ich stehe für eine Praxis, in der ich zwar die Kategorien Alltagskultur,
Kunsthandwerk und Gegenwartskunst als verschieden und als unterscheidbar
begreife, aber ich kombiniere diese Genres gerne in konkreten Vorhaben.
Deswegen ist mir weiterhin die Kunst eben die Kunst, welche sich auch
gegenüber anderen Genres mit Kontrasten abgrenzen läßt. Aber eine quasi komplementäre
Wechselwirkung der Genres ist in meiner Kunstpraxis erwünscht. Warum? Viele meiner
künstlerischen Kolleginnen und Kollegen in kulturell ganz unterschiedlich geprägten
Ländern teilen mit mir zweierlei:
+) Wir beziehen aus langjähriger Befassung mit Kunst eine Reihe von
Kompetenzen, die uns oft auf Anhieb befähigen, in unseren Begegnungen eine Art
gemeinsames Referenzsystem" zu betreten, in dem uns Verständigung ganz leicht
gelingt; egal wie unterschiedlich die anderen Codesysteme" unserer Herkunft
sind.
+) Wir fragen bei unserer künstlerischen Arbeit stets auch nach den
Bedingungen dieser Kunstpraxis, also danach, in welchem sozialen und politischen Umfeld
sich ihre Arbeit ereignet.
Das heißt also, die Gegenwartskunst steht zwar im Zentrum dieses Tuns, sie
hat auch ihre eigenen und immantenten Aufgabenstellungen, doch diese Praxis ignoriert
darüber hinaus nicht Umgebungsbedingungen und interessante Optionen in anderen Genres.
Das ist also meine art under net conditions", die in
solcher Weise verschiedene Genres verbindet, integriert, ohne deshalb die Gegenwartskunst
in diesem Gesamtereignis aufzulösen.
Das läßt sich, in etwas polemischer Verkürzung, an einigen Begriffspaaren
deutlich machen. Zum Beispiel:
*) die Idee und der Gegenstand,
*) das Virtuelle und das Aktuelle,
*) in real life und virtual reality,
*) das Politische und das Unpolitische,
*) der öffentliche und der private Raum,
*) Zentrum und Provinz,
*) etc.
Ich gehe auf jeden Fall von folgenden Annahmen aus:
a) Menschliche Gemeinschaft gründet sich primär auf leiblicher Anwesenheit
und realen sozialen Begegnungen. Alle weiterführenden Formen von technologischer
Prothetik (Telekommunikation, Teleworking
) sind Extensionen, die das Primäre nicht
suspendieren.
b) Einer der bewährtesten Anlässe für Wir-Situationen ist die
Erzählung". Jemand erzählt. Jemand hört zu. Mit allen Varianten von verfeinerten
Ausdrucks- und Rezeptionsweisen. Erzählen" ist hier im weitesten Sinn gemeint.
Von der Erzählung zwischen Mutterbrust und Säuglingslippen bis zur komplexen Symphonie;
oder bis zu weißem Rauschen, das in einen bestimmten Kontext gestellt wird.