Docu #36: Sued Ost Journal

Mit spitzer Feder Ausgabe 02/2006
von Hannes Krois
01.02.2006


Leider ist heute nicht Kunst eine Kunst. Sondern Kunst ist Politik und
Politik nur mehr Kunst. Ansonsten wäre es nicht möglich, daß Leute, wie
ein Hermann Nitsch höchste Ehrungen dieses Staates erreichen und seine
grauenhaften Schüttbilder mit öffentlichen Geld für öffentliche Wände
angekauft wurden. Im Windhauch der Seitenblicke- Lobby versammelt sich
so manche „Kunst“. Wie etwa ein Bundestheatergeneral Georg Springer und
ein ORF-Stratege Wolfgang Lorenz. Mit besten Beziehungen in die
derzeitige Regierung. Eine Beziehung, die dem Bundeskanzleramt gut eine
Million Euro wert sein soll. Für die Realisierung einer Plakataktion,
die ganz Europa zum Aufhorchen brachte. Einige Tage, bevor die
Österreicher die Präsidentschaft in der EU antreten konnten, war der
künstlerische „Erguß“ perfekt. Im Sinne von „60 Jahre Kriegsende“ und
„5o Jahre Staatsvertrag“ wollte man halt die Kunst in die Politik
einbringen. Wenn auch nur über mobile Plakatdisplays in Wien und
Salzburg. Auf insgesamt 400 Werbeflächen. Gleich 75 europäische Künstler
durften im Rahmen der Aktion am österreichischen Wertebild im Bezug auf
die EU mitwirken. „Quasi unter dem Motto der „österreichischen
Aufklärung“. Und weil bislang alles östertreichische von
Nicht-Österreichern gemacht wurde (sogar Milchkipferl nach den Türken)
konnten sich unter der Regie vom Duo Springer&Lorenz speziell zwei
Künstler dabei besonders profilieren. Nach dem Motto des
Unterhosen-Streaptease beim Wiener Opernball. Auch eine Aktion eines
Ausländers. Wahrlich, österreichische Aufmerksamkeit erzeugen nur
Ausländer. Das ist in keinem anderem Land der Welt möglich. Aber auf den
krampfhaften Wegen unserer „Multi-Kultivierung“ passieren eben auch
„Fehltritte“, die sehr wohl weltweit wieder als österreichische Skandale
empfunden werden. Wer spricht auch nur im Geringsten von einem Spanier
namens Carlos Aires, der mit seinem „Gruppensex- Bumsplakat“ zwischen
der Queen, Bush und Chirac die Geschmäcker Europas erschaudern ließ. In
Spanien dürfte dies niemals ein österreichischer Künstler. Die haben
auch nicht das steuergeldfinanzierte Team „ Springer&Lorenz“ als
„Macher“ und die Politik dahinter. Natürlich hat Gustave Courbets
Gemälde „Der Ursprung der Welt“ von 1866 entsprechende Ausstrahlung.
Aber der gespreizte Unterleib einer Frau war rein nur Courbets Bild,
Wirken, Vision und Laster. Der nachempfundene Unterleib einer
gegenwärtigen Dame samt EU-Sternchen-Slip war der nächste Anstoß der
künstlerischen EU-Aktion. Diesmal als Künstlerin die 1972 geborene Tanja
Ostojic aus dem Yugoslawischem. Künstler brauchen für ihr Image in der
heutigen Zeit die kostenlose Werbung der Empörung. Die Politik und unser
Staat brauchen das nicht. Wenngleich das Slip-Plakat gegenüber der
Benetton-Werbung noch appetitlich ist. Aber Benetton zahlt wenigstens
seine Scheußlichkeiten selbst.

Quelle: "Süd-Ost Journal"


core | reset | home
14•06