Docu #30: essay

Prekäre Verhältnisse als Zuckerseiten des Lebens
(Künstlerinnen und die „Creative Class“)
Von Elisabeth Mayerhofer und Monika Mokre

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Wie in den anderen besprochenen Projekten, nimmt Ostojic auch für diese Arbeit ihren eigenen Körper als Basis, verwendet sie die Nacktheit des weiblichen Körpers. Allerdings zitiert sie hier Courbets Gemälde aus dem 19. Jahrhundert, wodurch sie eine Reflexion ihres eigenen Status als Künstlerin einbringt. Der politische Künstler Courbet verstand seine künstlerische Arbeit laut Ostojic als emanzipatorisches Werk (vgl. Ostojic 2006), dessen Wirkung über den Kunstbetrieb hinausgehen sollte. Ähnlich geht sie auch selbst vor. Mit gezielter Provokation verweist sie auf politische Problemfelder wie Frauenhandel und/oder Eheprostitution, zwei häufige Wege für Frauen um in einen EU-Staat zu gelangen. Während aber Courbet den „Ursprung der Welt“ als den nackten Unterkörper einer nicht individualisierten Frau ausstellt, verhüllt Ostojic diesen Körper mit der EU-Fahne. Gleichzeitig behandelt das Bild die Problematik von Werbung, allgegenwärtig im (urbanen) öffentlichen Raum und ebenso allgegenwärtig darin weibliche Nacktheit. Ostojic wählt eine Werbeästhetik, indem sie den dargestellten Körper idealisiert, ihn „so computergeglättet, dass der Blick abrutscht“ (Streeruwitz 2005). Eine Verbindung zwischen kommerzieller Werbung, die sich nackter Frauenkörper bedient und der Europäischen Union ist somit hergestellt.

Die öffentliche Entrüstung, die die Präsentation dieser Arbeit begleitete, beschränkte sich auf die Feststellung, dass es sich dabei – wahlweise um Pornographie oder um Werbung – jedenfalls aber nicht um Kunst handle. Die Debatte „Kunst oder Nicht-Kunst“ ist eine übliche Form, Kunstwerke zu desavouieren und so von öffentlicher Achtung, Aufmerksamkeit oder auch Finanzierung auszuschließen (vgl. Zembylas Jahr). Zugleich ist diese Frage aus der Sicht des zeitgenössischen Kunstschaffens irrelevant – spätestens seit Marcel Duchamps „Fontaine“ ist es in einschlägigen Kreisen weitgehend unumstritten, dass Kunst das ist, was im Kunstkontext präsentiert wird.

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Diese Realitäten des Kunstbetriebs zeigen die Projekte von Tanja Ostojic mit großer Präzision. Ostojic verweist auf die Grenzen eines Diskurses und auf die misogynen und rassistischen Strukturen, die genau jene Kreativität beschränken, die in Auftragsarbeiten stets beschworen wird. Kreative Milieus sollen geschaffen werden – aber innerhalb der Schengengrenzen. Kreative Innovation soll Unternehmen anziehen, allerdings innerhalb politischer Rahmenbedingungen, die Innovation verhindern, indem die Arbeits- und Aufenthaltsfreiheit von Personen eingeengt wird. Ähnlich wie auch im Kunstbetrieb die starren Geschlechterhierarchien zu einer internen Verkrustung führen. Ostojics Interventionen verweisen auf provokante Art und Weise auf jene Machtstrukturen die die inhaltliche Weiterentwicklung des Kunstbetriebes verhindern. Wenn die ApologetInnen der creative class und der Bedeutung von Kunst für die Gesellschaft sich selbst in irgendeiner Form ernst nehmen, dann wäre es höchste Zeit, statt neuer Hypes sinnvolle Strukturen zu schaffen, die zu akzeptablen Lebensbedingungen für KünstlerInnen und insbesondere auch Künstlerinnen führen.

[...] Textauszug!

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(Elisabeth Mayerhofer ist Freie Wissenschafterin in Wien, Monika Mokre ist Politikwissenschafterin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften)


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8•06