Docu #2: Margarethe Makovec + Anton Lederer Kommentar zur Debatte um die sog. EU-Plakate in Wien
PLÄDOYER
FÜR DIE SOFORTIGE RE-INSTALLIERUNG DES KUNSTWERKS
VON TANJA OSTOJIC
Es ist in keiner Weise zu goutieren, wie in Österreich mit dem Werk einer renommierten
Künstlerin umgegangen wird. Zunächst bezieht sich die Kritik auf die
Letzt-Verantwortlichen für die Kunst-Demontage, die bei dem Ausstellungsprojekt
"euroPART" scheinbar nicht genau festzumachen sind, und in weiterer Folge ist
damit die Berichterstattung zur Causa gemeint.
Die Kampagne seitens der Kronen Zeitung ist nicht weiter verwunderlich. Umso mehr
erstaunt, dass ein guter Teil der österreichischen Medienlandschaft den angeschlagenen
Tenor kritiklos übernimmt und munter von mangelnder künstlerischer Qualität der
Beiträge und daher von einem schlechten Projekt spricht. Im Fall der Künstlerin Tanja
Ostojic, deren zweiteilige Fotoarbeit von der Kampagne betroffen ist, muss schärfstens
widersprochen werden.
Tanja Ostojic ist eine der wesentlichsten KünstlerInnen, die aus dem südosteuropäischen
Raum kommend international agiert. Sie verfügt über ein konsequent entwickeltes,
politisches, aktionistisches und zweifelsfrei provokativ angelegtes Werk. Die derzeit in
Berlin lebende Belgraderin hat seit Jahren wichtige Beiträge zum Diskurs um die
"Festung Europa" geliefert. Als Künstlerin mit serbischem Pass stieß sie immer
wieder auf dieses Thema. Nur wenige Menschen haben hierzulande eine Ahnung, was es
bedeutet, als Nicht-EU-BürgerIn in diese Festung einreisen zu wollen. Ostojic hat sich
einige Jahre künstlerisch damit beschäftigt. Die Zuspitzung gelang ihr mit dem Projekt
"Lookig for a Husband with EU Passport", das schließlich
"erfolgreich" war: Die Künstlerin hat über eine Annonce einen deutschen
Kollegen kennen gelernt und geheiratet, wodurch ihre Fortbewegung innerhalb Europas
entscheidend erleichtert wurde. Die sich über Jahre erstreckende Aktion wurde von Ostojic
als künstlerischer Prozess gesehen und die verschiedenen Phasen in zahlreichen
Ausstellung auf internationaler Ebene gezeigt.
Das demontierte Werk mit dem blauen Slip und dem darauf befindlichen gelben
Sternenkreis ist als weiterer künstlerischer Baustein in der Auseinandersetzung mit der
EU zu sehen. In dem Foto tut sich ein Kosmos von Fragen in Bezug auf das innere
Selbstverständnis der EU und ihren Habitus nach außen auf, die leider viel zu selten
gestellt werden. Sieht sich die EU als "Ursprung der Welt"? Für wen ist die EU
ein (un)erreichbarer Traum? Wer muss sich prostituieren, um in die EU zu gelangen oder
dort zu bleiben? Was wird aus diesem Schoss noch alles kommen, sprich wohin wird sich die
Sache entwickeln? Welche Vorteile bringt es, sich mit so einem gelben Sternenkreis auf
blauem Grund zu schmücken? Wer hat jetzt Lust auf die EU?
Es ist eine Blamage für den Kunststandort Österreich, dass eine kritische künstlerische
Auseinandersetzung mit Kernthemen unserer Zeit unterbunden wird. Das Werk von Tanja
Ostojic muss unbedingt in die Öffentlichkeit zurück!
Anton Lederer, Vorsitzender Forum Stadtpark,
Graz
Margarethe Makovec, Leiterin < rotor
>association for contemporary art, Graz
A.L. + M.M. arbeiten seit Mitte der 90er-Jahre im zeitgenössischer Kunstbereich. An
einigen Ausstellungsprojekten der letzten Jahre war u.a. Tanja Ostojic beteiligt.
Von links: Tanja Ostojic und Margarethe Makovec
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