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Kultur führt zusammen
Glosse von Martin Krusche

Das ist eine bemerkenswerte Headline: "Kultur führt zusammen". Sie gehört in gute Nachbarschaft zu "Das Wasser ist naß" oder "Der Papst ist katholisch". Wie bemerkenswert, daß dieser grundlegende Sachverhalt überhaupt betont werden muß.

Es ist wohl ein bescheidener Hinweis darauf, wie weit die Abwertung von Wissens- und Kulturarbeit inzwischen gediehen ist, wo sich Instanzen des Gemeinwesens angeregt fühlen, extra zu herauszustreichen, was fundamental ist.

Es könnte ja ohne die permanenten kulturellen Leistungen einer Gemeinschaft diese Gemeinschaften überhaupt keinen Halt finden. So wäre auch eine Stadt sofort dem Chaos überantwortet, wenn die vielfätligen Kulturleistungen ihrer Ansässigen plötzlich aussetzen würden.

Wirtschaftliche Leistung, sozialer Frieden und alle feineren Qualitäten einer Gesellschaft beruhen darauf.

So betrachtet ist es ziemlich kurios, daß "Kultur" eher dem Feld der "Orchideenfächer" zugerechnet wird, was natürlich daher kommt, daß Kultur von vielen Menschen nur als das Metier der Repräsentation und Selbstrepräsentation verstanden wird. Eine dreiste Verkürzung.

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Eine sehr stümperhafte Auffassung der realen Zusammenhänge, die österreichweit leider dominanten Rang hat. Die im Kurier publizierte Meldung ist quasi aussdrucksstarkes Anschauungsmaterial, ist ein Meldungs-Torso, ohne Arme, Beine und Kopf. Das zeigt uns, wir haben in der regionalen Wissens- und Kulturarbeit noch viel Arbeit vor uns.

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Was ich damit genau meine? Ich greife bloß ein Beispiel heraus. Es ist ja etwas skurril, über so ein Detail zu stolpern: "Ein Asylwerber wurde auch schon in den Chor aufgenommen, eine Vernissage mit Werken von Asylwerber läuft gerade in der Gleisdorfer Innenstadt."

Daß EIN Fremder im Chor aufgenommen wurde, soll wohl den Chor zur Sprache bringen, ist aber noch keine Story. Dafür ist da draußen eine Story, die hat aber irgendwer nicht bewältigt: "... eine Vernissage mit Werken von Asylwerber läuft gerade in der Gleisdorfer Innenstadt".

Es läuft, genauer lief, eine AUSSTELLUNG, die von einer Vernissage eröffnet und von einer Finissage abgeschlossen wurde. Und zwar in der Galerie "einraum", in Gleisdorfs Zentrum. Siehe sdazu die Abschluß-Doku: [link]

Das wäre die Story gewesen, wofür selbst jugendhafte Volontäre das einfache Wer-Was-Wann-Wo-Warum nach zwei Wochen in einer Redaktion beherrschen. Wird das aber nicht erkennbar, offenbart der Text andere Prioritäten.

Diese Prioritäten handeln erkennbar nicht vom permanenten kulturellen Engagement der Zivilgesellschaft, ohne das JEDER Laden sehr bald zusperren könnte, egal, welcher Branche er angehört. Das offenbart ein kulturpolitisches Defizit unserer Gesellschaft, welches aber nicht behoben werden kann, wenn wir an der Basis keine klare Vorstellung vom WARUM haben.

Der Zusammenhalt jeder Gemeinschaft ist auf gelingende soziale und kulturelle Prozesse angewiesen, auch auf Kommunikation, vor allem dort, wo verschiedene Sprachen gesprochen werden.

Dabei könnte man verstehen, daß es keine besondere Leistung ist, "Asylwerbern" manche Zugänge zu öffnen, sondern -- ganz im Gegenteil -- wir alle dringend darauf angewiesen sind, daß wir auch laufend kulturelle und soziale Erfahrungen mit dem und mit den Fremden machen dürfen.

Das ist ein enormer Gewinn, um nicht an den eigenen Gewohnheiten blind zu werden, um in der Begegnung mit "den Anderen" Erfahrungen zu machen, die uns auch das Eigene wieder neu zeigen. Damit helfen uns solche Begegnungen und Kooperationen, an uns selbst wach zu bleiben und neue Eindrücke zu gewinnen, wodurch wir wichtige Impulse bekommen, um neuen Anforderungen besser gewachsen zu sein.

Ich betone das, weil solche Textchen, wie das im Kurier, ein wenig den Eindruck erwecken, als sollten wir stolz sein, den Fremden Türen und Zugänge geöffnet zu haben. Gut, vielleicht soll das so sein. Aber dann wäre eben auch zu erwähnen, daß wie uns dafür bedanken sollten, was "die Fremden" in unserer Kultur Vorteilhaftes bewirken, solange wir aus unseren Dörfern und Tälern nicht raus wollen, um der Welt zu begegnen.

Quelle: Kurier, Gleisdorf: Kultur führt zusammen [link]
-- [from diaspora to diversities] --


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