Blatt #177 | KW 31/2021
Sommertage
Der Dottore
auf Reisen, das ergibt allerweil was. Diesmal „Schöne Grüße
aus Ehrwald!“ und dazu ein Brasilianer mit fetten Mooncaps
auf den Radnaben, überdies mit Spaltmaßen, daß man so lieber in
kein Unwetter reinfahren möchte. Dieser 1600er ist nicht gerade
ein Glücksfall der Designgeschichte, zumal man in Brasilien
schon ganz andere Karosserien hinbekommen hat. Aber halten wir
fest: diese spröde gezeichnete Ausführung verdient
Zuneigung.
VW Variant do Brasil
Ich hab es erst noch nicht recht
glauben wollen, denn das ist – ganz unter uns – ein
außerordentlich schlechtes Design und man hätte es doch
wenigstens schaffen können, das VW-Zeichen vom Nasenrücken
runter auf den Bug zu setzen, was schon ein ästhetischer Gewinn
wäre. Egal, Prototypen solcher Linienführung gab es in Brasilien
wenigstens ab 1960 und dieser Variant do Brasil ist bis 1977
gebaut worden, war also ein kühner Beleg der völligen Ignoranz
unserer europäischen Keilform-Ära.
Sensationelle Gürtellinie!
Ich fahr ja derzeit auch viel VW, aber
deutlich eleganter. Es ist der VW Karmann-Ghia (Typ 14) und ich
bin der Kopilot von Gottfried Lagler, mit dem ich eine Tour über
die Dörfer mache, um versierte Schrauber zu besuchen und mit
ihnen übers Leben zu reden. (Sagen Sie bitte nicht „Dschia“, das
H in Ghia hat hier die gleiche Funktion wie im Wort Lamborghini,
soll also ein gehauchtes G ergeben.)
Der
Karmann Ghia von Gottfried Lagler
Dieses Coupé auf Käfer-Basis kam 1950 auf den Markt und wurde
bis 1974 produziert. Laglers Karmann stammt aus den 1970ern,
riecht genau so, wie Autos damals rochen und macht beim Fahren
richtig Arbeit. Es ist definitiv ein anderes Kompetenzpaket, das
man in so einem Flieger braucht, wenn man von einem heutigen
Auto rübersteigt. Zur Tour mit Gottfried Lagler siehe: "Die
Ehre des Handwerks" (Eine Erkundung im 21. Jahrhundert)
Der VW Typ 14 als Coupé
Das gilt natürlich genauso für die Puch-Schammerln, von denen
Josef Laller eine Version des 500 D auf wunderbaren Status
gearbeitet hat. Dieser Wagen steht da, als hätte man ihn gerade
erst beim Händler abgeholt. Laller ist
Zweiradhändler
und ein Liebhaber klassischer Fahrzeuge.
Er zeigt
persönlich jene Qualitäten, wie ich sie auch bei den alten
Schraubern finde: diese Akkuratesse und Ausdauer, um es genau
nehmen zu können. So haben wir dann rollendes Kulturgut vor der
Nase und können uns Artefakte ansehen, wie sie heute nicht mehr
gemacht werde, können sie vor allem im praktischen Einsatz
erleben.
The Driver beim Szeyr-Puch 500 D
Das ergibt eine sehr sinnliche Erfahrung von etwas, das man
gewöhnlich nicht fühlen kann: verflogene Zeit. Das mag auch
The Driver, der das Pucherl ausgeführt hat und der meinte,
wir müßten wieder einmal auf seinen Lastwagen steigen und mit
dem alten Steyr 680 eine Herrenpartie absolvieren.
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