Blatt #161 | KW 6/2021
Austin Seven (1:1)
Die Legende geht so: Sir Herbert Austin hat 1922 einen sehr
talentierten Burschen verpflichtet, in seiner Villa (Lickey
Grange) auf dem Billard-Tisch ein Projekt zu zeichnen. So kam es
zu den etwas knappen Maßen des Autos, weil der Tisch nichts
Größeres zuließ.
Das ist ein ansprechendes Gerücht und
genauso stichhaltig wie die gerne weitergetragene Behauptung,
der Chevy Camaro habe seinen Namen vom französischen Wort für
Kamerad: Comrade. (Wir wissen ja, wie sehr junge amerikanische
Car Guys damals an der französischen Kultur hingen.)
So
war es freilich nicht, obwohl die Austin 7-Legende an die
Wahrheit ein gutes Stück herankommt. Konstrukteur Stanley Edge
hat selbst erzählt, wie es sich zutrug. Sir Herbert pflegte
seinen Arbeitstag früh zu beginnen. Der junge Edge kam stets mit
dem Motorrad in den Betrieb, hatte also eine nennenswerte
Strecke zu absolvieren. Sein Boss trug ihm auf die Eltern zu
fragen, ob sie einverstanden wären, daß er für ein Vorhaben bei
ihm logieren würde, damit die Arbeit zügig vorankäme.
Austin hatte den Wagen, wie er schließlich von 1922 bis 1932
produziert wurde, selbst in Skizzen schon entworfen. Die lagen
auf dem Billardtisch. Edge mußte diese Blätter, denen noch
Bemaßungen und allerhand Details fehlten, in brauchbare
technische Zeichnungen übertragen.
Es ging um ein
Produkt, mit dem Austin die Sidecar-Motorräder und
Motor-Dreiräder ersetzen mochte. Die Zeit nach dem Ersten
Weltkrieg war vielfach belastet. Es herrschte ein harter
Wettbewerb um Marktanteile, ein Ringen um marktfähige Produkte.
Als über 30 Jahre später das Puch-Schammerl auf den Markt
kam, war das in einem ähnlichen Motiv begründet: der
„Kleinstwagen“ sollte nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem zum
Umstieg vom Motorrad auf ein Auto einladen.
In der Austin
7-Geschichte kommt kurz sogar ein luftgekühlter Zweizylinder
Boxer vor: „When I interviewed Stanley many years ago, he
told me how he was able to deflect Austin’s thoughts of a
flat-twin air-cooled engine, based on the successful Rover 8, to
the tiny four-cylinder water-cooled power unit that now we know
all so well.“ (Bill Boddy im „motorsport magazine“ vom
November 1990)
Es ging damals allerdings auch darum,
die Firma vor dem Bankrott zu bewahren. „The little car for
the millions“ war ja als Konzept bereits eine Weile durch
die Automobilbranche gegeistert. Im deutschsprachigen Raum hieß
das „Volkswagen“; und zwar lange bevor Ferdinand Porsche den
KdF-Wagen zeichnete. Das leistbare Automobil.
Der Austin
7 erwies sich für seine Zeit als äußerst taugliche Konstruktion,
die schließlich auch von der Firma Dixi in Lizenz übernommen
wurde, später in BMW aufging. Origineller Weise fand der Motor
dann auch Verwendung in Reliant Dreirädern.
Den Austin 7
aus dem jahr 1932 hat garagenliebling Gerhard Szamuhely
fotografiert. Der Reihenvierzylinder liefert 12 PS aus 600 ccm.
Der muß 550 Kilo plus Passagiere ziehen. Das reicht für rund 80
Km/h Spitze..
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