Blatt #115 | KW 35/2020

Der Schrauber und der Schreiber

Wir könnten kaum unterschiedlicher sein, Bewohner verschiedener Kontinente. Aber auf unseren Fahrten durch diverse Lebensabschnitte treffen wir uns immer wieder in vertrauten Gewässern. Zu plüschig? Naja, eigentlich ist es in unserer Gesellschaft nicht vorgesehen, daß zwei, die so im Kontrast zueinander stehen, miteinder geselligen Umgang pflegen.

Manuel Wutti hätte als junger Kerl Lust gehabt, irgendwas mit Motorenentwicklung zu machen. Aber dazu wäre ein Studiums nötig gewesen. Und ein Diplom, auf dem – na, was? …Diplom Ingenieur steht. Hat er nicht. Ein Studium war für seine Eltern keine relevante Kategorie.



Schrauber Manuel Wutti

Meine hätten schon sowas vorgesehen. Der Vater meinte, ich solle wenigstens Notar werden, vielleicht Rechtsanwalt. Das Studium sei zügig zu schaffen und danach gut Geld zu verdienen. Das war wohl nix. Aber ich errang ein ganz gutes Hauptschulabschlußzeugnis.

Wutti optimiert heute Zweitaktmotoren. Das braucht die Wirtschaft nicht, aber es macht ihm Freude. Und er fährt Rennen. Das hat was mit seiner Wahrnehmung zu tun. Um schnell fahren zu können, benötigt man eine andere kognitive Ausstattung, als ich sie habe.



Damit war meine Schulpflicht erfüllt

Und sonst? Na, ich mach akademische Schwarzarbeit. Durchschnittliche Magistrae und Doctores können sich mit mir nicht messen. Die schnupf ich intellektuell, ohne die Hände aus den Hosentaschen zu nehmen. Aber das ist auch nicht grade etwas, wodurch man Glanz, Gloria und gutes Geld heim holt.

So. Was haben wir jetzt? Ich bin schon als Kind gerne in Werkstätten aufgetaucht, hab mich umgesehen, geschnuppert, diese Gerüche von Maschinen, Hitze, Öl und Rost eingesogen. Nie reichte mein Geschick, um etwas Nennenswertes zustandezubringen, das einen Augenblick von Werkstolz erlaubt hätte. Weniger moderat gesagt: ich tauge als Handwerker nichts.



Ich halte mich für smart, aber Getriebe-Schemata kapier ich bis heute nicht. (Puch M 125, Foto: Wutti)

Wutti, der Schrauber, ist da anders aufgestellt. Wie schon zum Schnellfahren angedeutet, auch das hat was mit Wahrnehmung zu tun. Man muß die Physik von Maschinen spüren können. Man hört und riecht, was vorgeht. Temperaturen, Vibrationen, Kräftespiele.

Ich sehe solchen Leuten auf die Finger, stelle Fragen, schreibe über all das. So also: der Schrauber und der Schreiber. Derzeit in einem romantischen Projekt verzahnt. Dieses Fanzine, also: Fan Magazin. Die Puch-Sache.

Na klar hat das was Obsessives. Sowas macht man weder aus Vernunft, noch um reich zu werden. Wissen Sie, wie man im Englischen obsessive Schrauber-Typen a la Wutti nennt? Wrench Monkey.



Wenn Wutti dienstlich wird (Foto: MW Technik)

Wrench ist der Schraubenschlüssel (Screw Wrench). Unter Monkey Wrench versteht man diese verstellbaren Werkzeuge, die bei uns Engländer heißen, wahlweise Franzose, falls sie zwei Mäuler haben.

Wrench Monkey = der obsessive Schrauber. Alles klar? Paßt! Und als Schreiber hat man auf diesem Terrain gewöhnlich eher wenig zu sagen. So halte ich es. Ich bin mehr der, der fragt. Und dann eben all die Geschichten…

Unterm Strich geht es daher um Handfertigkeit, komplexes Denken, Werkstolz. Und daß man eine Sache um ihrer selbst willen gut machen möchte. Klar, ohne Geld geht es nicht. Aber Geld ist bloß ein Medium. Ich tue Dinge, um einiges davon in Geld zu konvertieren. Dazu bleibt wichtig, eine Vorstellung zu haben, in was man dann seinerseits das Geld konvertieren möchte. Geld ist bloß das Ding dazwischen…

-- [start] --