Blatt #72 | KW
18/2020
Steyr-Puch 500, 1:18
Manche Experten werden recht grantig, wenn sie in einer
Publikation sachliche Fehler finden. Das hilft natürlich,
Informationslagen zu verbessern. Ich mag es aber, wenn ich auf
Kuriositäten stoße. Freilich hat man beim französischen Anbieter
Solido auf Recherche verzichtet. Ich vermute: ein Kostenfaktor.
Also lese ich in der Produktbeschreibung: „During the 60's
the Austrian manufacturer Steyr-Puch tried to make the leap
towards the automobile.“
Bei Schuco hat man diesen Text übernommen und notierte: „Anfang
der 60er Jahre will der österreichische Automobilhersteller
Steyr-Puch den großen Wurf im Automobilgeschäft landen.“
Das Pucherl kam 1957 auf den Markt, also weder Anfang der
1960er, noch während dieser Dekade. Und zwar nicht durch
„Automobilhersteller Steyr-Puch“, sondern von der
Steyr-Daimler-Puch AG. (Macht nix! So haben wir
Gesprächsstoff.)
Mit einem „großen Wurf“ hatte dort niemand gerechnet, denn in
Steyr waren ausreichend Erfahrungen mit dem Assemblieren und
Verkaufen von Fiats gemacht würden, eben Steyr-Fiats. Nein, man
konzipierte ausdrücklich einen „Kleinstwagen“, der vor allem die
Grazer Anlagen auslasten und Motorradfahrer zum Auto bringen
sollte.
Ein technisch versierter Mensch hätte wohl auch
nicht behauptet, jemand „equipped them with a specific
bi-cylinder engine, derived from the Italian engine“
(Solido), oder wie es bei Schuco heißt: „Diesen pflanzt er
einen speziellen Zweizylinder-Motor ein, eine Ableitung des
italienischen Motors.“
Es gibt nicht einmal eine quantenphysikalische Theorie oder eine
geheimnisvolle Zauberformel, wonach man aus dem italienischen
Reichenzweizylinder einen steirischen Boxer hätte ableiten
können. Das ist technisch unmöglich. Da wurde also bei Solido
auf der Verwaltungsebene gespart und ein Gerücht kolportiert.
Soll mir recht sein! Das Pucherl kommt dafür nämlich in einer
ganz angenehmen Preissegment daher.
Die Räder sind
lenkbar, die Türen lassen sich öffnen, die Innenausstattung ist
grundlegend ausgeführt. Fein! Natürlich hätte es mit gefallen,
wenn sich auch die Deckel öffnen ließen, aber dann müßte ja was
darunter sein und das ginge ins Geld. Die Kühlrippen auf der
Motorhaube sind jene des Fiat, nicht die vom Pucherl.Zucht mit.
Klar, daß auch die Ölwanne und die Auspuffanlage dem Italiener
entsprechen. Das kennen wir schon von Modellen in 1:43, einigen
flüchtig puchisierten Fiats. Bei den kleinen 1:87ern
verschwimmen solche Details naturgemäß, auch wenn der Puch-Vogel
am Frontblech unverzichtbar bleibt.
Paßt schon! Immerhin
steht er nett da, ist nicht mickrig und macht sich in der
Vitrine ganz gut. Apropos Vitrine! Diese Neuerscheinung
steht bei mir momentan auf der mittleren Etage der ersten
Station von Mythos Puch VII. Wir mußten ja im Lockdown
die Konzeption des Vorhabens völlig ändern. Also beginnt die
Geschichte in einer gut zugänglichen Vitrine. Und da ist ein
Teil der Familiengeschichte des Pucherls in Miniatur
aufgestellt.
+)
Mythos
Puch VII (Die Vitrine)
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