Blatt #65 | KW 12/2020

Garagenliebling

Die Notiz lautete: „2020 findet das Alltagsklassiker Saturday Night Cruising wieder an jedem ersten Samstag im Monat von März bis Oktober im Grazer Einkaufszentrum Citypark statt.“ Der Saisonauftakt am 7.3.2020 lag genau eine Woche vor jenem Samstag, an dem klar wurde, daß wir alle beitragen sollten, eine Epidemie einzudämmen, eine Pandemie zu vermeiden.

DeLorean DMC-12

In China hatte ein Virus den Sprung von Tieren auf Menschen geschafft. So ein lebensnahes Phänomen ist nicht wirklich lebendig, nicht aus Zellen zusammengesetzt, hat keinen Stoffwechsel, ist auf die Symbiose mit einem Wirtskörper angewiesen, um in der Welt zu bleiben.

Das Virus ist daher gewissermaßen wandernde Information, will seinen Wirtskörper aus gutem Grund nicht töten, muß sich aber als New Kid on the Block erst spezialisieren, eine passende Sektion in einem Leib aussuchen, wo es gedeihen kann. Und das tötet mitunter. Beide. Wirt und Virus.

Die Garagenlieblinge mit dem Neuzugang

Es ist eine Bedrohung, die abzuwenden in unser aller Händen liegt. Man braucht sich bloß ein wenig Sachkenntnis beschaffen und sein Verhalten in einigen Punkte adaptieren. Was ich daran besonders interessant finde: diese Situation stellt jeden Egoisten als Deppen heraus, denn das geht alles nur dann gut, wenn wir uns wechselseitig achtsam begegnen. Niemand kann sich alleine in Sicherheit bringen. Es zählt das Gemeinwesen.

Die Petrol Heads rund um Micky Tieber sind sehr gesellig. Ein kontrastreiches Rudel ganz unterschiedlicher Charaktere, überwiegend freundliche Wesen, etliche – gleich den Viren – wandelnde Informationen, denn in dieser Welt klassischer Automobile geht derzeit schon bemerkenswert viel Wissen verloren.

So waren wir bei diesem Saturday Night Cruising noch ganz unbeschwert, während uns inzwischen dringend empfohlen wird, nicht aus dem Haus zu gehen. Gerhard Szamuhely alias Garagenliebling war mit seiner Frau gekommen, weil die beiden einen nächsten Fiat Panda abgeholt haben, diesmal eine italienische Version, die es bei uns nicht auf dem Markt gegeben hat.

Puch-Schammerl by Szamuhely

Er schrieb mir vorab: „am liebsten tät i zu jedem treffen mit einem andren neuen oldtimer fahren.“ Das bedeutet, dieses dynamisch Duo hält mehr als ein, zwei alte Karren fahrbereit. Nicht nur Pandas. (Siehe dazu auch: Pandaworld)

Ich denke grad gerne an diesen Abend zurück, weil wir uns alle so vergnügt unterhalten haben und völlig sorglos waren. Es kratzt mich nicht besonders, daß jetzt allerhand zu beachten und zu befolgen ist. Das fällt mir keineswegs schwer. Ich mag diesen Fluß der Ereignisse, der aus Gegensätzen seine Tiefe bezieht.

Ich mag diese Meetings, bei denen sich auf so unterschiedliche Arten kluge Menschen treffen, mit denen ich derart viele Themen streifen oder auch aufgreifen kann. Es ist völlig frei von all der etwas altbackenen Etikette einer kleinbürgerlichen Repräsentationskultur. Hier zählt, was jemand weiß und kann. Posierer finden keine Zuwendung.

Pinzgauer-Garnitur by Szamuhely

Und jetzt, wo ich länger im Haus bleiben soll, hab ich gut zu tun, die Bilder, Erinnerungen, Reflexionen zu bearbeiten. Szamuhely ist übrigens ein rastloser Automobil-Paparazzo, durchforstet ständig erreichbare Terrains und entlegene Winkel nach bemerkenswerten Fahrzeugen. Von diesen Streifzügen erhalte ich gelegentlich Post. Das Leben ist eine endlose Erzählung…

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