Blatt #18 | KW 36/2019

Von den Anfängen III

Kommt unsere Kultur ohne prägnante Einzelleistungen womöglich nicht voran? Das herausragende Ich ist eine recht junge Kreation in menschlicher Gemeinschaft. Die persönlich zuschreibbare Urheberschaft hat sich nur sehr langsam herauskristallisiert. Nach wie vor ist kollektive Wissens- und Kulturarbeit das Fundament, auf dem all diese Möglichkeiten gedeihen.

Stürze mit dem Hochrad (Highwheeler) haben gelegentlich Tote gefordert

Ich hab in den ersten beiden Beiträgen „Von den Anfängen“ notiert, das angeblich erste Auto der Welt, dieser Patentwagen von Carl Benz, sei im Grunde ein motorisiertes Fahrrad. Ein Tricycle, wie auch später die äußerst erfolgreiche Motorrad-Konstruktion von De Dion-Bouton. Ist es wichtig, das zu klären? Gönnen wir doch der Firma Daimler deren aufwendig forciertes Image.

Mich beschäftigt das auf grundlegende Art, weil mich fasziniert, wie Menschen zu Lösungen kommen, die Dauer haben. Darin liegen Fragen nach unserer Kultur, wie diese sich ereignet, vollzieht, entfaltet. Dabei stört mich diese überzogene Helden-Nummer ein wenig, dieser auf einzelne Leute konzentrierte Personenkult.
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Französischer Cripper, zirka 1885

Wer hat den Pflug erfunden? Das wissen wir nicht. Ab dem Grabstock war es ein weiter Weg. Wie viele Menschen mußten Erfahrungen sammeln und sich darüber austauschen, bis Ernteerträge so groß wurden, daß eine Familie sich davon ernähren konnte?

Das hat sehr lange gedauert. Stets waren die Vorleistungen Anderer jenes Fundament, auf dem dann der Geistesblitz zünden konnte, durch den etwas unerwartet Neues entstand. Dadurch wird die Leistung des Einzelnen ja nicht geschmälert. Falls sie erkannt und dokumentiert wurde, erfahren wir davon, sonst eben nicht.

Der Benz Patentwagen ist unübersehbar aus der Fahrradwelt hergeleitet

Die Geschichte des Fahrrades ist weit kürzer als die des Pfluges, rund 200 Jahre. Statt Jahrtausende betrachten wir dabei Jahrzehnte. Das bringt uns auf die Spuren des Automobilismus. Ich hab den Cripper erwähnt, ein sehr exponiertes Beispiel für Tricycles, die gebaut wurden, weil nicht alle Menschen den gefährlichen Hochrädern gewachsen waren, mit denen man sich auf schlechten Wegen bewegt hat.

Ein historisches Dokument gibt Aufschluß: „The tricycle was undoubtedly introduced to combat the danger of riding the high bicycle. Riders of the early models of these machines will, however, confirm my opinion that they were far from safe, and if one did get a spill from one it was almost certain to result in a mix up with the wheel spokes and other mechanism, because one was seldom thrown clear of the machine as in the case of a fall from a bicycle.“ So steht es in „The Cycle Industry: Its Origin, History and Latest Developments“ von W. F. Grew, publiziert 1921.

Größer als der Cripper und als grundlegende Konstruktion
mit dem Motorenveloziped von Carl Benz gut vergleichbar.

Derlei Fahrzeuge wurde gebaut, als die Branche schon an der Entwicklung jener sogenannten Niederräder oder Sicherheitsräder gearbeitet hat, deren Bauart wir heute noch nutzen. (Die Grundform ist das „Safety“ mit Diamantrahmen.)

Es heißt, die renommierte Firma Humber schuf 1885 ein Dreirad, das nach dem damals äußerst erfolgreichen Sportsmann Robert Cripps benannt wurde, nämlich „Robert Cripps of Nottingham, a sturdy pedaller who late in life went in for cycle making“. So William Page, 1910 in „The Victoria History of the County of Nottingham“..

+) Mythos Puch VI

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