Aus heutiger Sicht ist das wahrlich kein stolzer Bau. Dieses Haus in
der Gartengasse dürfte schon Jahrzehnte ungenutzt sein. Aber genau das war (in frischem
Zustand) einst der Ausdruck von erheblichem wirtschaftlichem Erfolg. Ich habe über dieses
Gebäude nichts erfahren können, doch es sieht genau so aus, wie andernorts um 1910 das
Wohnhaus des Schlossermeisters Friedrich Rath ausgesehen hat. So residierte also vor rund
hundert Jahren die tüchtige Mittelschicht der Stadt. (Für Keuschler und Bergler aus der
Umgebung unerreichbar.)
Die "alten Bestände" im Zentrum der Stadt waren zu einem
erheblichen Teil "Bürgerhäuser", hinter denen sich Wirtschaftstrakte und
nutzbare Flächen befanden, die wesentlich der Selbstversorgung dienten. (Es gibt sogar
bis heute noch einen Viehhändler in der Franz Josefstraße.)
Etliche dieser Zonen sind heute privater Raum der Eigentümer. In
anderen, wie etwa hinter der Stadtapotheke, wurden Mietwohnungen gebaut. Das hat seine
Vorgeschichte in der Nachkriegszeit, wo dem steigende Bedarf an Wohnraum mit neuen
Siedlungen begegnet wurde.
Im vorigen Eintrag hab ich aus
einer Landes-Chronik zitiert, wie sehr "Eigenheime mit Kleingärten" den
Menschen in der Steiermark als höchst wünschenswert erschienen. Das war und ist freilich
nur für einen geringeren Teil der Bevölkerung leistbar. In der Chronik "Gleisdorf
1229-1979" [Quellen] heißt es
über die Zeit danach:
Aber sozialer Aufstieg drückt sich oft noch in Hausbesitz
aus. Obwoghl die Arbeitswelt sehr viel mehr Mobilität fordert ... vor allem von
erfolgreichen Leuten. Gegenwärtig findet man in der Innenstadt natürlich nach wie vor
Anregungen wie diese:
Der BESITZ gilt offenbar nach wie vor als Ideal. Die Ideologie hat noch
nicht zu aktuellen Lebensbedingungen aufgeschlossen. (Dazu demnächst mehr aus meinem
Gespräch mit Volksbank-Direktor Josef Tändl.)
Cut!
Die Unternehmerin Elisabeth Hübler ist als eines von drei Geschwistern
in sehr bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Der Vater war früh bei einem Unfall ums
Leben gekommen, die Mutter mit einem halbfertigen Haus dagestanden.
Haus und Garten bedeuteten damals: Gemüse anbauen, Kleintiere halten,
Hühner, Hasen, auch Sauschlachten gehörte dazu, eine Art Selbstversorgerwirtschaft, wie
sie für die agrarische Welt in der Oststeiermark typisch war; hier allerdings in ein
städtisches Leben hineingeführt. "Jeder Arzt in Gleisdorf hat von uns den Truthahn
gehabt. Wir natürlich nicht." Auch das sehr typisch agrarisch, "das Gute"
wurde verkauft, um "Geld zum Haus" zu schaffen.
"Ich möcht kein Mieter sein", sagt Hübler bestimmt.
Dagegen: "Mein Sohn ist glücklich in seiner Wohnung." Warum? Er schätzt den
Komfort, denn er weiß, wie viel Arbeit "Haus und Garten" machen.
Cut!
Hausfrau Christine Hausmann hat sehr verschiedene Wohnsituationen
kennengelernt. Wohnung und Haus, einmal mit zwei kleinen Kindern und Ehemann, später bei
der Pflege der Schwiegereltern.
Sie nennt "eine intakte Familie" als wesentliche Grundlage,
um auch schwierige Zeiten zu bewältigen. Dazu brauche man nicht unbedingt ein Haus, sagt
sie. Aber gewisse soziale Kompetenzen und vor allem auch: Rückzugsmöglichkeiten.
Hausmann sagt unmißverständlich: "In jüngeren Jahren ist man belastbarer."