Lebensraum. Zeitraum. Möglichkeitsraum.
Solche Vorstellungen dessen, was uns umgibt, worin unser Denken, Fühlen und Handeln
stattfindet, müssen laufend zur Debatte stehen. Wer beansprucht wo
Deutungshoheit? Wie wird zwischen Definitionskompetenz und Definitionsmacht vermittelt?
Was ist mit jenen, die nicht gehört werden, wenn "gesellschaftliche
Realität" und deren Kriterien (Werte?) verhandelt werden? Denn all diese Dinge sind
nicht "gottgegeben", sind keine Naturereignisse, sondern die Konsequenzen
menschlichen Verhaltens.
Darum steht am Beginn dieser Geschichte die Begegnung mit dem Maler und
Musiker Hannes Schwarz, der seinen Lebensabend in Weiz verbringt. Schwarz, Mitbegründer
des "forum stadtpark" und als Künstler weit über dem rangierend, was man sich
unter einer "Provinzgröße" vorstellen könnte, ist auf seinem Weg durch die
Kunst von einer Radikalität, die das Klima in dieser Region berührt. (Auch wenn er hier
nicht stark in Erscheinung tritt.)
Was ich gemeinsam mit der Künstlerin Angelika Haas in dieser Begegnung
gesucht habe, verweist auf das Vorhaben "next code: cruise".
Nämlich auf den lebendigen Bezug zu einer kraftvollen kulturellen Vorgeschichte unseres
Tuns. Ein Akteur zeitgemäßen Kunstgeschehens, der aus der Nazi-Ära heraus geradezu
einen Schock erlebte, als er mit bildender Kunst jener Moderne in Berührung kam, die
unter dem Regime der Barbaren weitgehend ausgeblendet geblieben war, weil als
"entartet" verfemt. Da wird noch zu erarbeiten sein, wie sich derlei
Zusammenhänge in unserem (Teil-) Projekt manifestieren sollen.
Ich fasse zusammen:
Wie kommt man mit seinem Wahrnehmen und Verstehen im 20. Jahrhundert an, damit man im 21.
leben kann? Was ist über Phänomene wie den Expressionismus oder die Russische Avantgarde
in unser Sehen, Denken, Wahrnehmen gekommen, um etwas als "modern" begreifen zu
können? Wie, durch wen und wodurch sind wir dorthin gelangt, wo wir eben stehen?
In all dem hat auch die Architektur eine starke Rolle gespielt, respektive
gab es in manchen Abschnitten intensive Wechselspiele zwischen Architektur- und
Kunstrichtungen.
Die Befassung damit legt (unter anderem) AUCH die Begegnung mit Menschen
wie Schwarz nahe. "In der Vergangenheit kann ich mich gut orientieren, aber in
der Gegenwart muß ich bestehen", habe ich, über eine Tasse Kaffee gebeugt, zu
ihm gesagt. Er nickte. Und legte seine Position so dar: "Nein, sie (die Kunst)
ist nicht die letzte Situation, sondern ein Dienst an etwas Anderem."
Ja, darin sind wir uns einig. Und Architektur ... wäre nun fortzufahren, Baukunst,
ist ja auch etwas, das vergleichbare Fragen und Debatten verlangt. Vielleicht wäre das
eine Verbindung der beiden Felder: Kunst -- Baukunst.
Nun bin ich mit zwei Fragen losgezogen:
a) Wie soll man wohnen?
b) Wie kann man über Architektur reden?
Beides nicht als Aufgabe für Fachleute unter Fachleuten, sondern hier, draußen,
in diesen Alltagsräumen, wo aus einem Chor vieler Stimmen etwas wie
"Öffentlichkeit" entsteht.
Also bin ich zum Auftakt mit diesen beiden Fragen und einer aufgeladenen
Video-Kamera in das Gleisdorfer "forumKLOSTER" gegangen. Quasi mit einem Ticket
der "artimage 8. medien und architektur biennale graz" ... denn deren
Eröffnungstag begann hier in der Oststeiermark.
Da lautet eine der Fragen:
"Ist das Experiment dem Wohnen zugänglich?"
Auch das kennt man ebenso von Kunstdiskursen, wo das Experimentieren zwar
unverzichtbar ist, aber oft energisch angefochten wird. Als man mich an diesem Tag gefragt
hat, ob "die Gleisdorfer Bevölkerung" ein Interesse für neue Wohnformen habe,
meint ich: "Nein. Ihr seid der Feind. Ihr wollt in der Stadt etwas verändern.
Niemand mag Leute, die an der Stadt etwas verändern möchten."
Das ist natürlich eine Polemik. Ob Kunst
oder Baukunst, seit Jahrtausenden bewegen wir uns kontinuierlich vom Neandertal weg.
Dennoch erzeugt jede Veränderung Widerstände. Was nun unsere Wahrnehmung, unser Denken
und unseren Lebensraum berührt, verändert, muß also in einem Mindestausmaß öffentlich
zur Debatte stehen. Aber wer möchte das debattieren? Und wo finden solche Debatten statt,
falls sie jemand wünscht?
So eine Veranstaltung ist Anlaß und Rahmen dafür: "Wohnlaboratorien - Poesie der
Vielfalt und Mechanismen der Ökonomie" |
|
[Das Cover] [Das Programm]
Doch es muß etwas von solchen Fragen und Debatten auch außerhalb formeller Rahmen und
ausgewiesener Fachkreise stattfinden. Diesem Ansatz ist der Auftakt von "next
space" gewidmet.