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code: love
(Fragestellungen)
Von Mirjana Selakov
Liebe wird codiert und visualisiert, auch in die Diskurse gebracht, das
heißt, die Liebe wird besprochen, beschrieben, besungen, dargestellt und
bewertet.
Liebe ist also ein kulturelles Phänomen sowohl als Code und Diskurs, wie auch
als prozessuale Praxis und als Erfahrung zu verstehen.
Die in den westlichen Gesellschaften beanspruchte Freiheit der Liebe, die
immer häufiger zu Trennungen von Ehen und die Auflösung von Familienhaushalten im Namen
der Liebe motiviert, verweist auf den höchsten Grad der Individualisierung im
Prozess der Moderne.
Auf der andere Seite versuchen manche nicht westlich und christlich
geprägten Teile der Welt, die Kräfte der Liebe durch die rationale sozio-ökonomische
Herrschaft der Familie, vor allem durch die arrangierte Heiraten, durch streng überwachte
Sexualmoral, durch die öffentliche und gewaltsame Sanktionierung von Verstößen gegen
herrschende Moral unter Kontrolle zu halten.
Die Liebe unterliegt dennoch immer der Gestaltung in Ritualen, Kulten, Religionen,
Literaturen, Bildern, Skulpturen, Fotos, Filmen und anderen Artefakten.
next code: love untersucht die Codes, Diskurse und Visualisierungen, welche
Sicht- und Redeweisen bzw. Vorstellungen der Liebe formulieren, wie die Hoffnungen derer,
die Liebe vermissen, motivieren und reglementieren, aber auch die Erfahrungen der
Liebenden selbst.
Bildende Kunst, Film, Literatur, Geschichte, Kunstgeschichte und bildwissenschaftliche
Disziplinen kommen hier miteinander in Diskussion.
Mögliche Fragestellungen:
- Ist die Codierung der Liebe gender-spezifisch?
Wie verbinden sich Gender und Liebe? Wie verbindet sich wiederum
das mit patriarchalen und männerzentrierten Gesellschafts- und Herrschaftsmodellen? Wie
erklärt sich dies aus ökonomischen, religiösen oder philosophischen Traditionen?
- Wie wird Liebe in westlichen oder orientalischen Kulturen ...
... über die Jahrhunderte textlich codiert und zum Diskurs gebracht? Welche
religionsgeschichtlichen Bedingungen der Codierungen und Diskurse sind uns bekannt?
(In Europa: Von antiken Liebesgedichten und mittelalterlichem Minnegesang. Vom
Liebessonett der Renaissance zum Liebesbrief der Romantik und den hochkulturellen wie den
popularkulturellen Liebesromanen bis zu den postmodernen Dekonstruktionen von Liebe und
Sexualität.)
- In der bildenden Kunst und den visuellen Medien ...
... gehört Liebe zu den zentralen Themen. Bilder aus der Kunst, der
Populärkultur, aus Filmen und Fernsehen prägten und prägen wesentlich unsere
Vorstellung von Liebe.
Was kennzeichnet die Beziehung zwischen diesen Visualisierungen von Liebe und Diskursen
und sozialen Praxen? Anders gefragt: Inwieweit werden in der Kunst bzw. in den visuellen
Medien Utopien, Idealvorstellungen von Liebe entworfen?
Wie wirken sich solche Vorstellungen auf die Diskurse und auf die Identitäten von
Männern und Frauen aus aus?
Welche geschlechterbedingten Positionen werden auf dem Feld der Liebe und des Begehrens
durch Repräsentationen in der Kunst und den visuellen Medien konstruiert bzw.
dekonstruiert?
- Orale Codierungen von Liebe
Wie ist Liebe in Redewendungen thematisiert, in Sprichworten, populären
Liedern, Reimen, aber auch in den aktuellen TV-Talk-Shows, die sich auffällig häufig
Themen und Problemen der Gestaltung von Liebesbeziehungen widmen?
- Fremde und exotische Liebesmodelle
Kulturen, in denen das sexuelle Begehren kaum Einschränkungen kennt.
Kulturen mit höherwertig geschätzten Formen der Liebe (wie z.B. die romantische Liebe
des christlichen Westens).
Wie wird Liebe in nicht-westlichen und nicht-christlichen, aber sukzessive
kapitalistisch globalisierten Gesellschaften codiert, praktiziert und erfahren?
Insbesondere in großen Städten, den Zentren der kapitalistischen Globalisierung? Wie
wird Liebe dort religiösen (beispielsweise islamischen) und
weltlich-politischen Ordnungen, aber auch der erhöhten Konsumorientierung unterworfen?
Können wir von Export und Import eines westlichen Liebes-Konzeptes als
Teil einer kulturellen Globalisierung reden?
Wie lässt sich das Verhältnis zwischen den Codierungen, den Visualisierungen und den
Diskursen um Liebe zu den Erfahrungen der Liebenden denken?
Die Differenzen zwischen Code, Bild, Diskurs einerseits, zwischen Praxis und Erfahrung
andererseits ... Führt die Reduktion auf Text und Bilder zu einer Simplifizierung der
Liebe?
Zu: "next code:
love" (Gleisdorf), im Rahmen des "steirischen herbstes" 2007