next note #6

next code: love
(Fragestellungen)
Von Mirjana Selakov

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„Liebe“ wird codiert und visualisiert, auch in die Diskurse gebracht, das heißt, „die Liebe“ wird besprochen, beschrieben, besungen, dargestellt und bewertet.

Liebe ist also ein kulturelles Phänomen – sowohl als Code und Diskurs, wie auch als prozessuale Praxis und als Erfahrung zu verstehen.

Die in den westlichen Gesellschaften beanspruchte „Freiheit der Liebe“, die immer häufiger zu Trennungen von Ehen und die Auflösung von Familienhaushalten im Namen der Liebe motiviert, verweist auf den höchsten Grad der „Individualisierung“ im Prozess der Moderne.

Auf der andere Seite versuchen manche nicht „westlich“ und christlich geprägten Teile der Welt, die Kräfte der Liebe durch die rationale sozio-ökonomische Herrschaft der Familie, vor allem durch die arrangierte Heiraten, durch streng überwachte Sexualmoral, durch die öffentliche und gewaltsame Sanktionierung von Verstößen gegen herrschende Moral unter Kontrolle zu halten.

Die Liebe unterliegt dennoch immer der Gestaltung in Ritualen, Kulten, Religionen, Literaturen, Bildern, Skulpturen, Fotos, Filmen und anderen Artefakten.

„next code: love“ untersucht die Codes, Diskurse und Visualisierungen, welche Sicht- und Redeweisen bzw. Vorstellungen der Liebe formulieren, wie die Hoffnungen derer, die Liebe vermissen, motivieren und reglementieren, aber auch die Erfahrungen der Liebenden selbst.

Bildende Kunst, Film, Literatur, Geschichte, Kunstgeschichte und bildwissenschaftliche Disziplinen kommen hier miteinander in Diskussion.

Mögliche Fragestellungen:

- Ist die Codierung der „Liebe“ gender-spezifisch?
Wie verbinden sich „Gender“ und „Liebe“? Wie verbindet sich wiederum das mit patriarchalen und männerzentrierten Gesellschafts- und Herrschaftsmodellen? Wie erklärt sich dies aus ökonomischen, religiösen oder philosophischen Traditionen?

- Wie wird „Liebe“ in westlichen oder orientalischen Kulturen ...
... über die Jahrhunderte textlich codiert und zum Diskurs gebracht? Welche religionsgeschichtlichen Bedingungen der Codierungen und Diskurse sind uns bekannt?
(In Europa: Von antiken Liebesgedichten und mittelalterlichem Minnegesang. Vom Liebessonett der Renaissance zum Liebesbrief der Romantik und den hochkulturellen wie den popularkulturellen Liebesromanen bis zu den postmodernen Dekonstruktionen von Liebe und Sexualität.)

- In der bildenden Kunst und den visuellen Medien ...
... gehört „Liebe“ zu den zentralen Themen. Bilder aus der Kunst, der Populärkultur, aus Filmen und Fernsehen prägten und prägen wesentlich unsere Vorstellung von Liebe.

Was kennzeichnet die Beziehung zwischen diesen Visualisierungen von Liebe und Diskursen und sozialen Praxen? Anders gefragt: Inwieweit werden in der Kunst bzw. in den visuellen Medien Utopien, Idealvorstellungen von Liebe entworfen?

Wie wirken sich solche Vorstellungen auf die Diskurse und auf die Identitäten von Männern und Frauen aus aus?
Welche geschlechterbedingten Positionen werden auf dem Feld der Liebe und des Begehrens durch Repräsentationen in der Kunst und den visuellen Medien konstruiert bzw. dekonstruiert?

- Orale Codierungen von „Liebe“
Wie ist „Liebe“ in Redewendungen thematisiert, in Sprichworten, populären Liedern, Reimen, aber auch in den aktuellen TV-Talk-Shows, die sich auffällig häufig Themen und Problemen der Gestaltung von Liebesbeziehungen widmen?

- „Fremde“ und „exotische“ Liebesmodelle
Kulturen, in denen das sexuelle Begehren kaum Einschränkungen kennt.
Kulturen mit höherwertig geschätzten Formen der Liebe (wie z.B. die romantische Liebe des christlichen Westens).

Wie wird „Liebe“ in nicht-westlichen und nicht-christlichen, aber sukzessive kapitalistisch globalisierten Gesellschaften codiert, praktiziert und erfahren? Insbesondere in großen Städten, den Zentren der kapitalistischen Globalisierung? Wie wird „Liebe“ dort religiösen (beispielsweise islamischen) und weltlich-politischen Ordnungen, aber auch der erhöhten Konsumorientierung unterworfen?

Können wir von Export und Import eines „westlichen Liebes-Konzeptes“ als Teil einer kulturellen Globalisierung reden?

Wie lässt sich das Verhältnis zwischen den Codierungen, den Visualisierungen und den Diskursen um ‚Liebe’ zu den Erfahrungen der Liebenden denken?

Die Differenzen zwischen Code, Bild, Diskurs einerseits, zwischen Praxis und Erfahrung andererseits ... Führt die Reduktion auf Text und Bilder zu einer Simplifizierung der „Liebe“?

Zu: "next code: love" (Gleisdorf), im Rahmen des "steirischen herbstes" 2007


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3•07