martin krusche / das schweizer symposion #3

Eigentlich hat es damit begonnen, daß ich selbst ein ehrgeizig angelegtes Projekt versenkt hatte, weil ich dafür im kaufmännischen Bereich zu schwach gewesen war. (Ich gebe zu, es war vermutlich nicht gar so schlau gewesen, eine Firma, die sich mit Internet-Dingen befaßt, „unplugged“ zu nennen.) Mit dem Finanzamt hatte ich mich einigen können, aber die Sozialversicherung schickte mir den Exekutor auf den Hals. Österreich ist ein wohlhabendes Land. Da versteht man bezüglich Geld keinen Spaß. Es lag also einige Arbeit vor mir, um meine Probleme zu lösen und meine Schulden abzubezahlen.

Ich hatte via Internet einen kroatischen Künstler kennengelernt, der zu jener Zeit in Liechtenstein lebte. Er brachte mich mit einem indonesischen Künstler zusammen und wir wälzten einige Ideen für ein größeres Vorhaben in der Schweiz. Ich meine: Schweiz und Liechtenstein, klingt das nicht nach guten Geschäften? Meine Internet-Bekanntschaften brachten Vinzenz ins Spiel. Der schien ehrgeizig zu sein, voller Zuversicht, er zielte hoch und verwies auf einige Projekte, die ich mir damals besser genauer angesehen hätte. (Es hatte mit Antiquitäten und Miß-Wahlen zu tun.)

Da mich schon viele Jahre beschäftigte, wie sich das Verhältnis zwischen „Realraum“ und „Virtuellem Raum“ als kulturelles Praxisfeld bearbeiten ließe, redlicher und klüger, als es der damalige Internet-Hype uns vorgaukelte, war ich sehr empfänglich für einen „Entrepreneur“, der mir versicherte, er wäre im Bereich konventioneller Unternehmen erfahren und bestens eingeführt.

Mein Wünschen war in der Sache stärker als mein kritischer Verstand. Außerdem war ich geneigt, eine populäre Legende zu glauben; daß nämlich Kunst und betriebswirtschaftliches Sachverständnis kaum zusammenpassen würden. Hatte ich mir das nicht gerade erst mit einer eleganten Pleite selbst bewiesen? Würde ich nicht dringend einen sachkundigen Partner auf dem Wirtschaftssektor brauchen?

Damit hab ich eigentlich die Falle selbst aufgestellt, um erhoben Hauptes hineinzurennen. Ich begann die Teamsituation zu ordnen, eine erste Projektskizze zu schreiben und einige Optionen zu prüfen. Währenddessen sollte Vinzenz vor Ort, also in der Schweiz, eine erste Recherche durchführen, welche Kooperationspartner und Sponsoren, auch: welches Klientel für das Projekt in Frage kämen.

Ich verfaßte ein komplexes Konzept für ein ganzjähriges Ereignis, das zu seinem Ende alle Beteiligten in einem großen Event zusammenführen sollte: Das Symposion. Die Geschichte bekam zwei Handlungsebenen: Eine für Angestellte von Firmen und Kommunen, deren Arbeitsalltag mit Mediennutzung zu tun hat. Eine zweite für Kunstschaffende und Leute aus der Wissenschaft. Die Inszenierung folgte der Idee, Aktion und Reflexion beieinander zu halten. Überdies hing ich dem Prinzip an, daß reale soziale Begegnung das primäre Kulturereignis sei, der „Cyberspace“ dagegen sowas wie ein „kühles Extrazimmer“, das man gelegentlich aufsucht.

Mediennutzung als Praxis der „gesellschaftlichen Realitätserzeugung“ verstand ich als eine Extension dieses „primären Ereignisses“, also der „leiblichen Anwesenheit“. Genau das wollte ich den Leuten in Betrieben und Kommunen über praktische Arbeitsschritte deutlich machen, wollte es zugleich mit Formen der künstlerischen Praxis verbinden und all das mit einer Theorie-Ebene verflechten.

[...]

[Textauszug! Volltext als RTF-Datei HIER downloadbar.]

[former page] [next page]


start | home | mail
51•07