next code: presse / gleisdorfer woche #2 Kunst und Kultur als Leben
Richard und Reserl Frankenberger aus Pischelsdorf
[Lange Version]
Man muß nicht die Zentren nachahmen, um eine relevante
Kunstszene zu haben. Jenseits von Graz gelten ganz andere Bedingungen.
Seit Jahrzehnten engagiert sich Richard Frankenberger für
Gegenwartskunst im ländlichen Raum. Wobei ihn seine Frau Reserl energisch unterstützt,
während sie auch noch eine Landwirtschaft von zwei Hektar Größe betreut. Die
Verknüpfung dieser Bereiche rührt an einen markanten sozialgeschichtlichen Hintergrund.
Es war einst die Befassung mit Kunst den wohlhabenden Eliten vorbehalten, während das
Volk vor allem hart zu schuften hatte. Wenn die Arbeit ruhen durfte, mochte man sich
diesen und jenen Formen der Volkskultur widmen. Daran hat sich in den letzten
150 Jahren einiges geändert. Und doch hören die Frankenbergers oft als Reaktion auf ihr
Engagement: Zu was brauch ma des?
Richard Frankenberger
Richard, der heute die Meisterschule für Malerei am
Ortweinplatz in Graz leitet, geht nicht in die Falle, nun gleich ein paar griffige Gründe
aufzuzählen. Ihn interessieren Prozesse. Anfangs dachte ich, mein Problem ist auf
der Fläche und nicht im Leben da draußen. Was meint, er wollte sich bloß auf die
Leinwand, auf das Malen konzentrieren.
Als Beuys gestorben ist, bin ich nach Berlin
gefahren, um etwas über seinen erweiterten Kunstbegriff herauszufinden." Richard
entdeckte für sich, daß künstlerische Praxis nicht bloß Kunstwerke im herkömmlichen
Sinn meint, sondern eigentlich das ganze Leben. Seines und das seiner Mitmenschen, auch
jenes der Gesellschaft, welcher man angehört. So sagt er für die Kunst und das Leben
heute gleichermaßen: Wenn ich nichts einbringe, geht nichts.
Reserl und Richard Frankenberger
In der Konsequenz arbeitet er gemeinsam mit seiner Frau und
einigen Verbündeten an einer sozialen Skulptur. Das ist ein jahrelanges
Geschehen, in dem Werke und Prozesse, die künstlerischen und sozialen Themenstellungen
gewidmet sind, gleichberechtigt dastehen. Richard: Man muß über den Kirchturm
hinausschauen. Denken und Tun dürfen nicht an der Dorfgrenze enden, sagt er. Das
würden heute sogar jeder Reiter- oder Eisschützenverein würdigen: Die wollen sich
auch auf Landesebene messen. Und nicht bloß mit dem nächsten Nachbarn.
Im Zuge dieser Bemühungen haben die Frankenbergers vor
Jahren den steirischen herbst nach Pischelsdorf geholt, pflegen unabhängig
davon Kontakte und Austausch mit sachkundigen Leuten aus vielen Ländern.
Und die Menschen vor Ort? Reserl: Wenn man die
Menschen in die Projekte einbindet, wenn sie mitarbeiten, dann finden sie auch
Zugänge. Bei K.U.L.M. werden also der Bevölkerung Rollen und Aufgaben
angeboten, auf die man sich einlassen kann. Richard: Ursprünglich war unser Ziel,
vor allem einmal Akzeptanz für die Kunst zu erreichen. Daraus wurde dieses
prozeßhafte Arbeiten, durch das eine lange Reihe bemerkenswerter Veranstaltungen in und
um Pischelsdorf entstand.
Möglicherweise bückt sich ja immer noch der Untertan,
wenn die Kunst den Eliten überlassen wird und ein Regionalpolitiker sagt: Die
Mehreren haben recht, nicht die Gscheiten. Wenn also harte Arbeit
vor die Befassung mit Inhalten gestellt wird. Dem hält Richard entgegen: Es gibt
nichts, was in meinem Kunstbegriff nicht Platz hätte. Das macht schon deutlich, da
kommt man nicht mit einmal vorgenommenen Festlegungen aus, man muß im Gespräch und in
Diskussion bleiben.
Künstler Richard Frankenberger und
Kunsthistorikerin Mirjana Selakov zur Besprechung in Gleisdorf. Die Stadt ist einer der
Standorte für längerfristige Kunstprojekte, in denen auch Kontakte mit Ungarn und
Slowenien geknüpft werden sowie der Kulturraum zwischen Wien, Beograd und Istanbul eine
Rolle spielt.
10.1.2007 in "Gleisdorfer Woche"
& "Weizer Zeitung"
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