Log #705: Mythos Puch Einige Grundlagen
Ich mag die Vorstellung, daß sich Punkte markieren lassen,
wo die Weltgeschichte Regionalgeschichte berührt. Im Jahr 2019 blicken wir auf den
60er des Steyr-Puch Haflinger und auf den 40er des Puch G, zwei
bedeutende Fahrzeuge aus steirischer Produktion. Dazu eine kleine historische Betrachtung.
Dieses Ochsengespann, Covermotiv von
Mythos Puch V,
ist eine Arbeit von Albin Schrey
Das Wort Automobil ist ein Bastard. Da wurde ein
lateinischer Teil an einen griechischen Teil getackert. Das sich selbst bewegende Fahrzeug
(autos + mobilis) war bei uns seinerzeit treffend als pferdeloser
Wagen bezeichnet. Die beiden Konzepte bestanden etliche Jährchen nebeneinander.
Pferde waren freilich über Jahrtausende unsere wichtigsten Tempomaschinen. Sie
überflügelten die kraftstotzenden Ochsen an Geschwindigkeit bei weitem, sind aber in der
Haltung aufwendiger und stehen in direkter Nahrungskonkurrenz zum Menschen. Ohne die
enorme Traktionskraft der Stiere, denen man durch Kastration das Temperament beschnitten
hat, wäre unsere Wirtschaft nicht vom Fleck gekommen. Ohne das Tempo der Pferde hätte
sich unsere Kultur nur langsam bewegt.
Mein Benz Patent-Motorwagen in einer
winzigen Zinn-Variante
Die Firma Mercedes-Benz läßt uns gerne wissen,
daß der Benz Patent-Motorwagen Nummer 1, im Jahr 1886 patentiert, das erste
moderne Automobil sei. Er ist allerdings ein motorisiertes Fahrrad, wie auch die
Patentschrift offenlegt, denn das Tricycle war eine gängige Konstruktion,
sozusagen die stabilere Ableitung vom gefährlichen Hochrad.
Zehn Jahre später, 1896, rollte in Cannstatt der von
Daimler und Maybach entwickelte Motor-Lastwagen in die Automobilgeschichte.
Dieses Fahrzeug war in wesentlichen Details seiner grundlegenden Bauart aus der
Kutschen-Welt hervorgegangen; zum Beispiel auch mit der Drehschemel-Lenkung und der
Klotzbremse, die auf Eisenreifen der Speichenräder wirkt.
In jenen Jahren war noch nicht entschieden, daß sich
Gasmotoren als vorrangig durchsetzen würden. Auch Dampfmaschinen blieben für geraume
Zeit wichtige Kraftquellen auf den Straßen Europas, während sich schon einmal
Hybridfahrzeuge mit elektrischen Radnabenmotoren zeigten. Damit wäre nebenbei auf das
eigentlich erste taugliche Automobil unserer Geschichte zu verweisen. Das war von hausaus
ein Nutzfahrzeug, ein Transporter, um Kanonen zu bewegen.
Links Cugnots Fardier,
rechts der Daimler'sche Lastwagen
Damit geht der Blick aber mehr als hundert Jahre vor das
filigrane Benz-Dreirad zurück. Der französische Artillerie-Offizier Nicholas
Cugnot baute und erprobte seinen Fardier. Ein Dampftraktor, der erstaunlich
fahrtüchtig ist, wie ein Nachbau im 20. Jahrhundert belegte. Er wurde 1769 in Paris
erstmals vorgeführt.
Während die Automobile von Benz und Daimler zu
Serienproduktionen führten, blieb Cugnots Maschine ein Unikat. Man könnte das Fahrzeug
einen Technologieträger nennen. Was der Fardier allerdings mit dem Zweiten
Marcus-Wagen (zirka 1888) gemeinsam hat: er ist seine eigenständige Konstruktion,
von seinem Zweck bestimmt.
So ließe sich zusammenfassen, die Geschichte des
Automobils beginnt im Geist des Transports, also mit einem Nutzfahrzeug,
auch wenn Cugnots Dampftraktor für die rasante Feldartillerie, wie sie etwa Napoleon
einsetzte, um Europa zu erschüttern, keine Rolle spielte.
"Man ist mit
Recht der Meinung gewesen, daß der Stellmacher nicht mit der Berechnung der Pferdekraft
unbekannt sein darf, damit er gehörig über die Natur des Ziehens urtheilen kann."
(Lebrun: "Der vollkommene Stellmacher und Wagner")
Dieser Ausschnitt aus einer historischen Fotografie (1925)
von Georges-Louis Arlaud zeigt uns einen herkömmlichen Leiterwagen mit Drehschemel-Lenkung.
Sie erkennen, was später auch die Bauform des Steyr-Puch Haflinger sein wird.
Es gibt ein Fahrgestell und darauf eine Plattform.
Der durchgehende Langbaum, mit dem Hinterachse und Drehschemel verbunden sind,
entspricht beim Haflinger dem Zentralrohrrahmen. Er kann mit
verschiedenen Aufbauten diesem oder jenem Zweck gewidmet werden. Beim Leiterwagen bilden
zwei sogenannte Tragbäume quasi die Plattform.
Bei Automobilen wäre der klassischer Leiterrahmen
eine Entsprechung für diese zwei Tragbäume. (So in Verwendung beim Puch G.)
Hochwertiger Stahl ist stabil genug, daß dabei das Äquivalent eines Langbaumes
entfallen konnte, respektive zur Alternative wurde, die Erich Ledwinka von seinem Vater
Hans übernahm. Genau! Der Zentralrohrrahmen bei Haflinger und Pinzgauer
entspricht dem Langbaum aus der Welt der Pferdewagen.
Das Häusel des G-Wagens ruht auf einem Rolling
Chassis. Klar, denn ein Offroader mit selbsttragender Karosserie würde
nicht lange halten, sondern sich sehr zügig verwinden, auf daß keine Tür mehr zuginge,
von anderen Problemen ganz zu schweigen.
Wenn auch die historischen Wurzeln der Offroader
in der Pferdewelt eigentlich bei der mobilen Feldartillerie zu finden sind, hat es doch
bei den Leiterwagen begonnen, die gegenüber den Karren mit ihren starren Achsen ein
gigantischer Technologiesprung waren
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