Log #703: Flame Logbuch

Posen

Die Arbeit an der Geschichte des Steyr-Puch Haflinger ist auch eine Arbeit an unserer Sozialgeschichte, denn ein Auto zu besitzen war von Anfang an, also spätestens ab 1900, ein soziales Statement. Damit wurde es auch zum Anlaß sozialer Spannungen, die gelegentlich in offene Konflikte übergingen.

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Nicht hart, sondern smart: der Steyr-Puch Haflinger

Ich erinnere mich an Annoncen in frühen Fachzeitschriften, die eine spezielle Schutzvorrichtung für Autos anboten, um quer über die Straße gespannte Stahlseile abzuweisen, die als eine tödlich Falle für Autler vorkamen. So weit gingen die Konflikte auf den Straßen manchmal.

Heute hat sich das umgedreht. Was vorkommt: Vor allem sehr junge Männer mieten sich teure, mächtig motorisierte Automobile und liefern sich im Stadtgebiet illegale Straßenrennen. Da kann einem bei 150 Sachen und mehr gelegentlich jemand in die Quere kommen und es gibt Tote.

Das sind radikale Varianten des Ringens um Dominanz auf unseren Straßen. Dazu steht der Offroad-Bereich in einem markanten Kontrast. Dabei bleiben Mischformen den Weltenbummlern vorbehalten, die heute noch bei Reisen das Abwegige bevorzugen, wie es einst Clärenore Stinnes gezeigt hat oder Max Reisch. In den frühen Jahrzehnten des Automobils waren Fernreisen große Strapazen, große Abenteuer, für deren Berichte via Medien sich ein breites Publikum begeistern ließ.

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Im Jahr 1941 veröffentlichte Maxwell Halsey sein Buch "Traffic Accident and Congestion", also "Verkehrsunfälle und Stau". Ab jener Zeit nahm die Verkehrsdichte auch in Europa rapide zu. Ein Prozeßm der bis heute anhält. Das hat die "Road Warrior" nie gebremst. Was da gelegentlich ideologisch verpackt ist, zeigt sich etwa, wenn jemand den Reichsadler spazierenführt und so mit der Weltuntergangs-Sekte der Nationalsozialisten liebäugelt, wobei das Hakenkreuz durch das VW-Logo ersetzt ist und somit der Vogel dem Verbotsgesetz entkommt.

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Da ist also einerseits die Provokation durch das Spiel mit geächteten Symbolen, da ist andererseits der rotzige Auftritt des "Zivilen Kriegers", der zumindest so lange Mumm und harte Eier andeuten möchte, als er noch nicht durch einen Fahrfehler oder andere Ungelegenheiten aus mehreren Körperstellen blutet und auf ein inspiriertes Chirurgenteam hoffen muß. Aber ganau das macht ja derlei Hldenposen seit jeher aus, die halten bloß, solangen nicht richtig geblutet wird.

Auch die Offroad-Szene wird an manchen Stellen von solchen Herrenmenschen bevölkert, die sich in heftigen Posen hervortun. Da kommt dann eventuell ein G-Wagen daher, den ein taktisches Zeichen des Deutschen Afrika-Korps der Nazi ziert, diese stilisierte Palme, die freilich ohne Hakenkreuz auskommen muß. (Ein Aufkleber an der Heckscheibe teilt mit, daß der Herr mit großkalibrigen Waffen schießt.) Die Palme bekommen Sie auch für € 6,50 im Versandhandel: "Aufkleber / Sticker - Afrika Palme Taktisches Zeichen DAK passend für VW Kübelwagen Typ 82 Bundeswehr BW".

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Wer sich freilich heute einen VW Typ 82 leisten kann, wird kaum einen billigen Aufkleber verwenden, sondern die Palme fachgerecht aufmalen lassen. (Ein gepflegter Kübel dürfte unter 50- bis 60.000,- Euro kaum zu bekommen sein.) Das ist also Zeug für Helden des Alltags, Massenware, mit der sich erigierte Männchen dekorieren.

Ich vermute, wir erleben gerade den letzten Abschnitt einer Ära, in der einer Massengesellschaff der private Besitz von Kraftfahrzeugen möglich ist. Ich nehme an, das wird sich über die Kosten des Fahrzeugkaufes und -erhalts regeln. Was diesen Umbruch angeht, werde ich selbst vermutlich nicht mehr dabei sein, denn es wird wohl noch einige Jahrzehnte hingehen. Aber daß 2050 noch so gefahren wird wie heute, kann ich mir einfach nicht vorstellen. Das halte ich für sehr unwahrscheinlich.

So gesehen finde ich es interessant, welche Wandlungen die Rollenbilder demnächst erfahren müssen, wenn das alte Motiv vom Kerl als Pilot und/oder Rennfahrer nicht mehr lebbar ist. Das macht mir den Haflinger mit seiner Geschichte so interessant, denn da dominiert nicht das Angebot eines martialischen Auftritts. Er ist in seinem Entstehen ein Ausbund an Ingenieruskunst und solidem Handwerk. Was er für die Fahrpraxis bietet, ist kein Muskelspiel, sondern ein smartes Umgehen mit den Anforderungen. Man könnte sagen, der Haflinger ist die automobile Umsetzung des Bonmots "Don't work hard, work smart!"

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coreresethome
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