Log #701: Flame Logbuch

Markierung einer Epoche

Seit Monaten bin ich auf spezielle Art in die Geschichte des Steyr-Puch Haflinger vertieft. Die Ambition, dieses Fahrzeug zum Hauptgegenstand einer kleinen Kulturgeschichte zu machen, verstrickt mich in unzählige Ereignisse auf Nebenschauplätzen.

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Genau das ergibt den Reiz, um ein Fenster zu markieren, welches den Blick auf eine rasend komplexer werdende Geschichte möglich macht, ohne diese Komplexität wegzudrücken. Zugleich muß das alles noch faßbar bleiben, eine nachvollziehbare Erzählung ergeben.

Roland Barthes hatte entschieden, ein Automobil für seine Textsammlung "Mythen des Alltags" aufzugreifen, um mit diesen Fahrzeug eine Epoche deutlich zu machen. Die Deesse von Citroen. Nun bin ich nicht aufgefordert worden, ein Buch für kulturwissenschaftliches Personal zu schreiben, sondern primär für die Schrauber- und Sammlerszene. Dennoch reizt es mich, herauszuarbeiten, auf welche Art dieses Grazer Automobil, der Haflinger, für eine Epoche steht.

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Das hat alles einige Schubkraft aus dem 19. Jahrhundert bezogen, als die Steiermark den Status einer rückständigen Region endgültig hinter sich ließ. Dabei war dann jene Kluft zu überwinden, die Österreichs Aristokratie aufriß, als sie zum ersten Aggressor des Großen Krieges wurde und sich als unfähig erwies, diesen Konflikt zeitlich wie regional einzugrenzen. Andere Mächte Europas trugen bei, daraus den Ersten Weltkrieg zu machen. Das erstickte vorerst die Blüte an Innovationen und wirtschaftlichem Aufschwung. Schließlich wurde durch den Faschismus ein zweiter Dreißigjähriger Krieg daraus, der die vorhin erwähnte Kluft noch vertiefte. Der Haflinger steht unter anderem für diese postfaschistische Situation.

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Dieses Fahrzeug hatte zum Auftakt zwei Armeen als Hauptkunden, die österreichische und jene der Schweiz. Zwei neutrale Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg, mitten in jener Zone, wo West und Ost begonnen hatten, einen Kalten Krieg zu etablieren. Ich war überrascht, wie sehr sich etliche Aspekte jener Ära in diesem Automobil ausgedrückt haben. Es ist ein Sonderfall, welcher sich an der Schwelle zur Digitalen Revolution ereignete. Hier war noch die Rechenschieber-Generation am Werk, Design entwickelte sich in einem Wechselspiel zwischen technischen Zeichnern und Modelltischlern.

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Es wurde eine Konstruktion, die bis heute konkurrenzlos blieb. Ein Funktions-Spektrum, das inzwischen Geschichte ist, weil die Anfordererung an die Logistik sich so sehr verändert haben wie die militärischen Verhältnisse insgesamt. Also wurde dieses Vehikel quasi zum Memorial seiner selbst und steht tatsächlich auf exemplarische Art für eine Epoche; auch im Sinn einer technischen Ära.

Die Befassung damit war mir ferner Anlaß, mich ein wenig mit den namensgebenden Tieren zu beschäftigen. Die Haflinger sind eine in Tragtier-Kompanien bewährte Pferderasse. Das Besondere an ihnen ist der Umstand, daß sie bei uns den "Kentaurischen Pakt" über die 1940er Jahre und sein eigentliches Ende noch hinausgeschrieben haben. Was das bedeutet?

Dieser Pakt ist eine Jahrtausendgeschichte der Koexistenz von Mensch und Pferd. Die Tiere sind weit bedeutender, als man heute annehmen möchte. Ohne ihr Tempo, ihre Zug- und Tragkraft hätte unsere Kultur niemals auf jene Art vorankommen können, die uns vertraut ist. Keine andere Spezies hat deren Funktionen vergleichbar angeboten.

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Militärisch waren sie bis zum Ersten Weltkrieg das tragenden Element der vorrangigen Schockwaffe, nämlich der schweren Kavallerie. In jenem Bündel von Konflikten wurden nach heutigen Schätzungen insgesamt rund 16 Millionen Pferde eingesetzt. Etwa die Hälfte davon kam ums Leben. Mit dem Aufkommen motorisierter Verbände wurde diese Waffengattung überflüssig. Doch im Zweiten Weltkrieg blieben Pferde immer noch unverzichtbar, um die nötige Logistik zu bewältigen; vor allem in Kampfgebieten des Ostens, wo Kraftfahrzeuge den Straßenverhältnissen oft nicht mehr gewachsen waren. (Insgesamt kamen in den Verbänden der Nazi rund 1,8 Millionen Pferde ums Leben.)

Ich hab Pferdeliebhaberin Daniela Kummer nach dem Wesen der Haflinger befragt und erhielt diese eindrucksvolle Antwort: "Haflinger sind als stur bekannt, was ihre enorme Intelligenz beweist. Durch die Kreuzung zwischen Vollblut und Kaltblut ergab sich eine perfekte Mischung aus Feuer und Coolness. Sie denken selbst, das bringt Menschen ohne Pferdeverstand oft zur Verzweiflung. Wenn ein Haflinger dich zu seinem Freund erklärt, kannst du dich hundertprozentig auf ihn verlassen!"

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coreresethome
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