Log #687: Ich bin eine Geschichte

Hackler
Da wäre zum Beispiel Albin Schrey. Der Fabriksarbeiter erschloß sich außerhalb seiner Arbeitszeit eine Position in der Kunst. Was bedeutet das? Fotograf Franz Sattler hat sich vor einer Weile mit mir darauf eingelassen, solche Fragen zu ergründen.

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Albin Schrey in Maskerade

Er hat Albin Schrey gut gekannt. Jenen eigenwilligen Hackler, von dem uns ein verblüffendes Werk erhalten ist, das zu Teilen in privater Hand ist, wovon Teile der Stadt Weiz gehören. Für Sattler übrigens vertrautes Terrain. Seine Familiengeschichte wurzelt ebenfalls in diesen subalternen Kreisen, deren Arbeitskraft immer gefordert war, nach deren kulturellen Bedürfnissen lange niemand gefragt hat.

In einem steirischen Kompendium über die Auswirkungen der Industriellen Revolution findet man Hinweise auf solche Zusammenhänge. Im Jahr 1890 erschien bei Leykam das Buch „Culturbilder aus Steiermark“. Ein Sammlung von Essays zur wirtschaftlichen Lage, herausgegeben anläßlich einer Landesausstellung.

Da heißt es im Vorwort: „Mit Befriedigung wird der Steiermärker dem Besucher der Ausstellung zeigen können, dass er nicht hinter den Fortschritten der Zeit zurückgeblieben ist, sondern die Schätze, welche die heimatliche Erde birgt, klug zu verwerthen weiss und in mehr als Einem Zweige der Landwirthschaft und Industrie auch auf dem Weltmarkte den Wettbewerb mit anderen Ländern erfolgreich aufzunehmen im Stande ist.“

Dieser Status hat klare Bedingungen. So schrieb Hans Tauss in seinem Beitrag über „Die Textilindustrie Steiermarks“, was auch in anderen Beiträgen anklingt: „Den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechend oder durch mancherlei günstige Factoren, wie massenhaftes, billiges, sowie vorzügliches Rohmaterial, billige Arbeitskraft etc., angeregt, haben sich in unserem Lande eine Reihe von Erwerbszweigen entwickelt.“

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Franz Sattler mit Selbstportraits von Albin Schrey

Die billige Arbeitskraft kommt öfter unverblümt zur Sprache, wird als vorteilhaftes Betriebmittel betont. Das hat selbstverständlich soziokulturelle Konsequenzen, unter anderem lange Arbeitstage, niedere Löhne und folglich sehr ärmlichen Lebensbedingungen der Arbeiterschaft. Da blieben kaum Kraft und Zeit zur Muße, um sich etwa mit künstlerischen Belangen zu befassen.

Geregelte Arbeitszeit innerhalb einer 40 Stunden-Woche, gesicherter Krankenstand, bezahlte Urlaubszeit, das sind sehr junge Phänomene. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg waren überdies die Verhältnisse der alten agrarischen Welt noch sehr präsent.

Kurz zusammengefaßt: Wer aus den sogenannten „einfachen Verhältnissen“ kam, hatte in der Zweiten Republik zwar gewisse Chancen zu einem moderaten sozialen Aufstieg, war aber mit Mangel und gelegentliche Not gut vertraut. Ein Klima, das von solchen Motiven und harter körperlicher Arbeit geprägt ist, macht den Kontrast, den sich Albin Schrey in seinem Leben eingerichtet hat, tiefer, macht ihn markanter.

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Bemerkt man nun die hohe Qualität der besseren unter seinen Arbeiten, wovon Franz Sattler einige in seiner Sammlung hat, berührt einerseits der Ausdruck dieser seelischen Anstrengung, die Schrey gesucht hat, um die Enge eines proletarischen Lebens der Nachkriegszeit aufzubrechen. Andrerseits stimmt nachdenklich, welche Instanz das in uns Menschen sein mag, die ein Leben in der Kunst an allen denkbaren Stellen einer Region empfiehlt und ermöglicht, nicht bloß an den aufgeräumten und komfortabel gestalteten Orten der Kunstpräsentation, die sich das Bildungsbürgertum inzwischen längst auch auf dem Lande gönnt.

Für Sattler und mich ist daran interessant und der Untersuchung wert, was eigentlich jemanden wie Schrey bewogen haben mag, sich eben diesen etablierten Strukturen der kleinbürgerlichern Kulturvermittlung nicht gerade anzudienen. Er blieb spröde und kritisch, war offenbar nicht geneigt, sich als Künstler irgendwelche Repräsentationspflichten anheften zu lassen. Es darf rückblickend über Schrey vermutlich gesagt werden, daß ihm die Befassung mit der Kunst und das Erleben der dazu nötigen Prozesse viel wichtiger war, als ein Ringen um Sozialprestige.

Auf ihn mag zutreffen, was auch in einem herkömmlichen Verständnis von Handwerk Bedeutung hat: Das Bedürfnis, eine Sache um ihrer selbst Willen gut zu machen. Vorrangiger Unternehmensgegenstand ist dann eben nicht der Imagegewinn, sondern der Kompetenzgewinn. Ich nehme an, das hat ihn auch als Hackler in der Fabrik ausgemacht.

-- [Ich bin eine Geschichte] [Albin Schrey] --


coreresethome
30•18