Log #686: The Long Distance Howl 2018: Im fünfzehnten Jahr III
Inzwischen scheint klar, daß unsere Themenstellung
im Hintergrund -- Volkskultur, Popkukltur, Gegenwartskunst -- einen sehr
tauglichen Rahmen ergibt, um aktuelle Veränderungsschübe in ihrer Komplexität etwas
auszuleuchten. Was haben wir jetzt?
Der Mainstream-Betrieb setzt verstärkt auf
angenehme Freizeitangebote. Große Themen werden dabei bestenfalls angetippt. Wohlfühlen
hat Vorrang. Dazwischen via Social Media allerhand Getöse und
Befindlichkeitsprosa zum Zustand des Landes.
Zugegeben, das ist jetzt eine etwas polemische Verkürzung. Aber das Thema „Kultur
für alle“ (@ Hilmar Hoffmann) hat sich scheinbar in Filzpatschen hinter den Ofen
verzogen und der Kulturbetrieb ist in weiten Bereichen von PR-Leuten übernommen worden.
Eine interessante Zeit, in der neu geklärt sein möchte, wovon kulturelle Basisarbeit
handelt und wo sie ansetzen möge.
Ich tippe dabei auf manche Parallelen zum Ende der 1970er
Jahre. Das hat etwas Biedemeierliches. Für uns insofern vorteilhaft, als es den
Kontrast schärft, in dem sich die aktuellen Vorhaben entfalten. Kontrast erhöht die
Sichtbarkeit. Das prozeßhafte Arbeiten hat für uns Vorrang. Dabei geschieht sehr
viel an Wissens- und Kulturarbeit im Hintergrund, was meint, diese Arbeit ist im
Veranstaltungsbereich vorerst nicht besonders auffällig.
Heuer werden diese Prozesse von uns auf eine Art gebündelt, daß wir vor allem im Herbst
mit Ergebnissen nach draußen gehen. Die regionalen Koordinaten, innerhalb der sich das
verdichtet, sind hier skizziert: [link]
Einer der Schwerpunkte: Mit Fotograf Franz Sattler (Naas), Buchmacher Jörg Klauber (St.
Ruprecht) und Fotograf Richard Mayr (Gleisdorf) zeichnet sich eine Konzentration ab, in
der einige Bücher und Booklets entstehen werden. Dabei verteilen sich unsere Interessen
auf historische Momente und die Gegenwart. Das wird auf mehrere Jahre zu bearbeiten sein.
Diese Linie begleite ich derzeit im Plauderton auf Facebook; hier die
nachgeordenete Archiv-Fassung: „Bücher. Eine Wand, an der ich lehne“ [link]
Eine Absage an Kulturpessimismus. Ein Hervorheben der
Bedeutung dieses klassischen Mediums Buch, zu dem es mir unnötig erscheint, populäre
Klagen zu verbreiten, um diese vorzugsweise an unseren Kindern festzumachen. Das
Bücherlesen war noch nie eine Massenbewegung. (Der Kulturpessimismus setzt sich gerne der
Jugend in den Nacken, was deren Eltern entlasten soll.)
Wenn also etwas zu beklagen wäre, dann vor allem der Umstand, daß die Mühen des
Wissenserwerbs heute mit wenig Sozialprestige verbunden sind, wo zugleich die
aktuelle Mediensituation Legionen von Menschen zu täglichen Meinungsäußerungen drängt.
Via Social Media erfahre ich derzeit sogar, wenn jemandem gerade nichts
einfällt, so stark ist das Bedürfnis vieler Menschen, sich uns mitzuteilen.
Wenn aber die Arbeit an relevanten Themen Zeit haben darf, bekommen öffentliche Debatten
wenigstens in Nischen eine andere Färbung. Ich denke, genau das verlangt derzeit
Aufmerksamkeit: qualitativ relevante Nischen zu entwickeln, auszubauen, ohne dabei auf
große Dimensionen zu schielen, auf Reichweite, auf das Volumen von Marktschreierei.
Niemand zwingt mich mit vorgehaltener Knarre, Sichtbarkeit
vor Authentizität zu stellen. Aus einem kleinen, gut überschaubaren Katalog der
Handwerks-Ethik empfiehlt sich dann auch der Wunsch, eine Sache um ihrer selbst Willen gut
zu machen. Daher: Wissens- und Kulturarbeit, die sich Zeit läßt, um Relevanz zu
entwickeln, geht vor jenen Aktionismus, aus dem sich keine Anregungen beziehen lassen, der
bloß verkündet, daß jemand hier gewesen ist und getanzt hat.
Genau da sehe ich auch die Aufgaben unseres nächsten Kunstsymposions.
Zwar wird einiges zu sehen, einem Publikum zugewandt sein, doch die Hauptaufgabe liegt in
einer Art Konsolidierungsschritt von Menschen, denen das geistige Leben in der Region ein
ernstes Anliegen ist, auf daß sie ihre Kompetenzen stets weiter entwickeln und
gelegentlich in kulturellen Vorhaben bündeln.
Ende des 19. Jahrhunderts, als die Erste Industrielle
Revolution enorme Schubkraft entwickelt hatte, fand in der Steiermark eine
bemerkenswerte Diskussion darüber statt, wie man einerseits zwischen Kunst und Handwerk
vermitteln könne, wie sich andrerseits benennbare Qualitäten im Bereich der neuen
Industrieformen etablieren ließen.
Dazu gehörten damal auch etliche
Überlegungen, welche Bildungsmaßnahmen und neuen Institutionen nun nötig seien, um die
Menschen mit dem Stand der Dinge vertraut zu machen, um ihnen zeigen zu können, was
„gute Produkte“ seien. Im Kompendium „Culturbilder
aus Steiermark“, 1890 bei Leykam erschienen, notierte Karl Lacher in
seinem Beitrag „Die Kunstindustrie in Steiermark“ die Frage:
„…wäre es da nicht lohnend, an der Hand einer
Fachbibliothek, der einschlägigen Fachzeitschriften und einer technologischen
Mustersammlung, an verschiedenen Abenden die einzelnen Fachgruppen im VereinslocaIe mit
den neuesten Erfindungen bekannt zu machen?“ |
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Ein Beispiel für die damaligen Bemühung um
Wissens- und Kompetenzgewinn. Bliebe zu klären, was nun heute, im Auftakt der Vierten
Industriellen Revolution, wünschenswerte Beiträge in diesem Sinn wären, wo es
natürlich anderer Organisationsformen bedarf, da sich die Arbeitswelt so radikal
verändert, indem Produktionsweisen und Produkte sich radikal verändern.
-- [The Long Distance Howl] [Das 2018er Kunstsymposion]
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