Log #683: Kunstsymposion

Ich hab aus den vergangenen Arbeitsjahren für unser heuriges Kunstsymposion als Thema und Titel "Interferenzen" abgeleitet. Überlagerungen bieten uns gelegentlich sehr anregende Bilder oder aber Störungen. Manchmal muß etwa bloß eine Nuance bewegt werden, um von einem Zustand in den andere zu rutschen, Anregung oder Störung. Darin wird manches deutlicher sichtbar; das Wesen der Kontraste.

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Sandra Abrams und Oliver Mally

Hintergrund-Folie dieser prozeßhaften Arbeit ist seit einiger Zeit das Genre-Trio Volkskultur, Popkultur, Gegenwartskunst, an dessen Überlappungen und Querverbindungen ich sehr interessiert bin. Nach einer kleinen Erörterung via Web, die ich mit Sir Oliver Mally und Martin Moro hatte, führte nun ein Weg an den langen Tisch von Horst Robert Fickel.

Die "Pop-Konferenz" hat mir erst einmal Orientierungspunkte geliefert, um demnächst einige Fragen genauer formulieren zu können. Der größere Zusammenhang: Innerhalb unserer Lebenszeit ist jene bipolare Kulturdeutung aufgebrochen, die Hochkultur und Volkskultur als getrennte Sphären betont hat, E und U markierte, also Ernst und Unterhaltung, die noch Kategorien wie Schmutz und Schund betonte.

Dabei hat die Popkultur sehr wesentliche Impulse geliefert, in denen "Kunst und Kommerz" durcheinandergerieten und die Posen des sich selbst sehr ernstnehmenden, kulturtivierten Bürgers etwa mit Kitsch, Sarkasmus, Ironie unterlaufen wurden. (Der Begriff Bürgerschreck sagt ja mehr über den Bürger als über den Schreck.)

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Branchen-Kenner Andreas Fabianek

Auf Einladung von Fickel war Andreas Fabianek zu uns an den Tisch gekommen. Das brachte in die Debatten eine Innenansicht des Musikbetriebes, wie er sich dann auch in Hitparaden und Welttoruneen niederschlägt. Fabianek kennt die Branche als Profi in sehr verschiedenen Aufgabenbereichen. Komponist, Produzent, Tontechniker, aktiver Musiker... In der Zusammenarbeit mit Ambros, Danzer und Fendrich sowie mit Opus hat er das Business gründlich kennengelernt, auch den heimischen Hitparadenbetrieb. Da stiege er 1984 mit Kurt Gober und "Motorboot" auf Platz 3 ein, um 10 Wochen Platz 1 zu erleben.

Ein grundlegend anderes Bezugsystem als das von Mally. So hat mich auch ein Teil unserer Erörterungen an eine ganz andere Konferenz erinnert, die wir vor Jahren bei Mythos Puch hatten. Ich wollte 2015 das Thema "Handwerk und Volkskultur in der technischen Welt" etwas durchleuchten. Damals blieb eine Frage noch offen: Wie unterscheiden wir denn nun Handwerker von den Industriearbeitern?

Das bietet auch heute ein paar Denkanstöße, denn es läßt sich durchaus von einer Unterhaltungsindustrie sprechen, die Content aufsaugt und eine Alltags- wie Freizeitwelt bewirtschaftet, wobei astronomische Geldsummen bewegt werden. Derlei hat zugleich natürlich sehr prägende Effekte in der Geschmacksbildung breiter Gesellschaftskreise.

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Ein Exponent der Kochkunst: Horst Robert Fickel

Nun ging es für mich ja aktuell nicht darum, eine Kritik der Unterhaltungsbranche vorzunehmen, sondern über den Status quo einer Massenkultur einiges zu klären und dafür auch unsere gewohnten Begriffe zu überprüfen. Ich wollte zum Beispiel selbst nie begründen müssen, waruim in meiner Bibliothek Honoré de Balzac und Clive Barker auf dem selben Regalbrett stehen. Es ist einfach so, weil es mir gefällt.

Da tun sich also deutliche Kontraste auf, wenn etwa Fabianek einige Hintergründe des Themas Austropop erläutert, aber Künstler Christian Wabl dagegenhält: "Für mich war damals jeder Song ein Aufruf zur Weltrevolution." Das sind übrigens Kategorien, mit denen sich Mally offenbar überhaupt nicht befaßt.

Als Mann der Musik verkörpert er jenes Prinzip einer Autonomie der Kunst, die ihren Auftrag aus sich selbst schöpft. Der versierte Singer-Songwriter bietet eigentlich keine anderen Meriten als jene, in seinem Metier einen möglichst guten Job zu machen.

Es bedarf ja kühner Posen, um einem Künstler mehr als das abverlangen zu wollen. Ein fragwürdiges Unterfangn. Es bedarf andrerseits großer Hingabe, genau das einzulösen, diese Autonomie der Kunst. Ganz klar, das so eine Berufsauffassung nur begrenzt marktfähig ist und für die Unterhaltungsindustrie nicht praktisch nutzbar.

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Künstler Christian Wabl

Das Bemerkenswerte an der Unterhaltungsindustrie ist meines Erachtens, wie sie einerseits absolut rigoros kapitalistischen Prinzipien folgt, die zu keinerlei "Weltverbesserung" beitragen können. Andrerseits hat sie aber auch jenen Teil der Popkultur international durchgesetzt, der uns erstens ein weltumspannendes "Songbook bedeutender Werke" bietet, zweitens allerhand Grundlegendes beigetragen hat, um die einengenden Attitüden innerhalb einer (klein-) bürgerlichen Repräsentationskultur hinfällig zu machen.

Mit "Roll Over Beethoven" hat Chuck Berry ja 1956 keine Einladung zur Abschaffung von Beethoven verbreitet. Er wandte sich gegen Einengung und Ignoranz, ließ wissen, daß nun etwas Neues da sei, was etablierte Kreise vorerst abtun wollten: "You know my temperature's risin' / The jukebox's blowin' a fuse / My heart beatin' rhythm / And my soul keep-a singing the blues / Roll over Beethoven / And tell Tchaikovsky the news."

Ich wurde 1956 geboren und was Chuck Berry in dem Jahr sang, war jenen Leuten eine adäquate Antwort, die uns Ohrfeigen verpaßten, wenn sie uns bei der Lektüre von "Schundheftln" (Comics) erwischten. Inzwischen hätten wir eigentlich geklärt, daß unser Abendland nicht folglich solcher "Kulturschande" unterging, sondern daß uns die Popkultur eine völlig neue Situation eröffnet hat. Aber diesbezüglich besteht heuer noch einiger Klärungsbedarf.

-- [Pop] [Konferenz in Permanenz] --


coreresethome
29•18