Log #675: Wegmarken In einem Gemeinderatsprotokoll vom 15.12.2015 findet sich die
Stelle: "Bgm Moser erklärt, dass Besitzer selbst für die Sanierung der
Bildstöcke verantwortlich sind und sie müssen sich mit dem Bundesdenkmalamt in
Verbindung setzen." Ein wichtiger Hinweis darauf, daß die Klein- und
Flurdenkmäler, von denen wir umgeben sind, hauptsächlich auf private Initiative
zurückgehen.
Jahre später zeigt sich, daß dieses private Engagement
weitere Früchte getragen hat. Es wurde eine gemeinsame Amstrengung daraus. Je ein Drittel
der Kosten kam von Privatpersonen, von der Gemeinde und vom Tourismusverband. Heute lesen
wir: "Bildstocksegnung im Kötschmanngraben" [Quelle]
Das liegt in der Gemeinde Ludersdorf-Wilfersdorf. Dort bemühte sich die Dorfgemeinschaft
um die nötigen Mittel für die Renovierung des genannten Bildstockes. Ein Breitpfeiler
mit bemerkenswerten Arbeiten.
Josef Hörmann, ein Anrainer, erläutert mir, daß die
Bilder in Fresko-Technik aus dem Jahr 1949 stammen und bis heute keiner Restaurierung
bedurft haben. Dieses handwerkliche Niveau und die künstlerische Ausführung der Motive
weist auf einen Könner hin. Darin unterscheidet sich dieser Bildstock von manch anderen
Kleindenkmälern, wie man überhaupt quer durch die Region ein breites Spektrum in der
unterschiedlichen Qualität der Arbeiten findet.
Genau das ist ein wesentlicher Aspekt bezüglich der
Entstehungsgeschichten: Die Frage nach verfügbaren Mitteln bestimmt eben die Situation.
Hier kamen freilich schon vor Jahrzehnten ein paar günstige Momente zusammen. Maler
Hubert Tuttner lebte im Kötschmanngraben und stand für die Gestaltung dieses Bildstockes
zur Verfügung.
Tuttner zählt zu jenen Persönlichkeiten, die regional
erwähnt werden müssen, wenn man sich klar macht: Was immer wir hier im Kulturbereich
tun, hat ein Fundament in den Vorleistungen anderer Menschen. Gerade diese einst so arme
Oststeiermark ist ein Beispiel interessantes dafür, hat erstaunliche Talente
hervorgebracht. Arm, weil von den klein strukturierten Selbstversorgerwirtschaften, die
gewöhnlich nicht für den Markt produziert haben, kein Wohlstand kommen konnte.
Flächen von sechs bis elf Hektar, so die einstmals
regionalen Durchschnittsgrößen, warfen nicht genug Ertrag ab, um die Gegend reich zu
machen. Das änderte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch verschiedene
Modernisierungsschritte und durch die Mechanisierung der Landwirtschaft, während in
Teilen der Oststeiermark und rund um Graz die Industrie für gut bezahlte Jobs sorgte.
(Stichwort: Elin und Puchwerk.)
Wie angedeutet, die Vorleistungen anderer bilden das
Fundament aktuellen Kulturgeschehens. Da wären, was bildende Kunst angeht, Kurt Weber,
Hannes Schwarz oder Camillo Kurtz und eben Hubert Tuttner zu nennen, aber auch Albin
Schrey oder Richard Kratochwill.
Dazu gesellen sich allerhand anonyme Werke, deren Urheber
nicht bekannt sind. Aber alles kreist um die simple Tatsache, daß ausnahmslos jeder
Mensch spirituelle und kulturelle Bedürfnisse zeigt. Wie diese dann ausgelebt werden und
welcher Art von Werken sie sich zuneigen, hängt von den Lebensumständen ab. Dabei
wichtig: Es muß einem völlig frei stehen, welchen Spielarten und Qualitätsbereichen die
Menschen darin anhängen.
Das halte ich übrigens für einen wichtigen Aspekt von Volkskultur
als eine prinzipielle Bedingung. Daß Menschen ihre Kriterien aus dem eignen Leben
beziehen und nicht aus akademischen Debatten oder diversen Bildungseinrichtungen.
Geschmacksvorschriften sind mit dem Wesen von Volkskultur eher nicht vereinbar. Das
hindert niemanden, seinen Geschmack zu verfeinern und dabei auch auf die Ansichten anderer
zu achten. Aber im Zentrum muß Volkskultur bedeuten, daß man seinen kulturellen
Bedürfnissen ganz nach eigenem Ermessen nachgeht.
In diesem Zusammenhang hatte ich Gelegenheit, mich im alten
Stall einer vormaligen Landwirtschaft im Kötschmanngraben umzusehen. Dort lagert ein Rain-Kreuz,
das die Familie beizeiten wieder aufstellen möchte. Derlei war einst ein Grenzzeichen
für Fluren, manchmal ähnlich angefochten wie ein "Roanstoan", ein
Rainstein, der Grundstücksgrenzen markiert. Da wir noch nicht gar so lange über eine
präzise Kartographie verfügen, war früher das heimliche Rainsteinversetzen
manchmal Anlaß für Familienfehden über mehrere Generationen.
Zu diesem Kreuz gehörte übrigens auch eine
Madonnenstatue, die einst verloren ging, aber im nahen Wald wieder gefunden wurde. Wie
erwähnt, das Rain-Kreuz wird einen neuen Platz bekommen.
-- [Wegmarken] [Dorf
4.0] --
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