Log #665: Kunstsymposion

Es war ja klar, daß mir dieses Areal gefällt. Hinter dem Grazer Hauptbahnhof. Lagerhäuser. Logisch. Vor Jahrhunderten konnten Massengüter nur auf dem Wasser transportiert werden, in Graz also auf der Mur. Im 18. Jahrhundert ließ Karl VI. westlich davon eine der Post- und Kommerzstraßen errichten, an die in Graz noch die Alte Poststraße erinnert. Das war jene der fünf Kaiserstraßen, die Wien mit dem Hafen in Triest verband.

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Mit dem nächsten Technologiesprung im Verkehrswesen kam es in einem weiteren Schritt nach Westen zu jener Bahnlinie, die Mitte des 19. Jahrhunderts einen Stationsbahnhof erhielt, heute der Hauptbahnhof Graz. Der denkmalgeschützte Wasserturm erinnert an die Dampflokomotiven-Ära, Ausdruck der Ersten Industriellen Revolution. Inzwischen leben wir in der Vierten Industriellen Revolution.

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Dazwischen hatte sich die zweite als eine enorme Automatisierungswelle etwa zwischen 1910 und 1913 ausgebreitet; und zwar in Europa und den USA gleichermaßen. Wir alle erlebten dann ab den 970er Jahren die Digitale Revolution als das dritte Phänomen dieses Ensembles. Nun sind Automatisierung und Digitalisierung ineinander gegangen, haben neuartige Maschinensysteme hervorgebracht, die in sprunghaften Dimensionen Arbeitsbereiche abdecken, welche wir bisher nur Menschen überlassen konnten.

Es ist also einleuchtend, daß sich unter solchen radikalen Umbrüchen auf alten Terrains von Industrie und Handel derzeit Leerstände auftun. In einem dieser Leerstände, direkt an den Gleisanlagen des Hauptbahnhofs, ist das Büro für Pessi.mismus eingerichtet, wo der Flying Circus sein Basislager hat, um heuer hundert Jahre Republik Österreich (1918-2018) zu betrachten und diese Betrachtungen mit gegenwärtigen Situationen zu verzahnen.

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Dieses Projekt von Petra Lex und Nikolaus Pessler nimmt Pesslers Gemälde zum Ausgangspunkt. Da knüpfen dann verschiedene Aktivitäten an. In unserem Fall ergibt das eines der Hauptthemen für das 2018er Kunstsymposion, dessen Titel "Interferenzen" darauf hinweist, daß uns derzeit in unscharfen Bildern der Blick in die Zukunft leicht verstellt wird, was einen wesentlichen Grund abgeben dürfte, daß auffallend viele Menschen derzeit so gerne in die Vergangenheit blicken.

Allerdings nicht auf ironisch-kritische Art, wie Pessler das tut, sondern eher verklärend. Begreiflich. Wer die Zukunft fürchtet, wie sich eventuell die Vergangenheit schönreden. Wir bemühen uns freilich, aus einem Verständnis der Vergangenheit eine brauchbare Orientierung für die nahe Zukunft zustande zu bringen. Das braucht eben Betrachtung, Reflexion... und daß man sich darüber mit anderen verständigt.

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Es ist nicht die Kunst selbst, die eingesetzt wird, um das zu bewirken, denn noch herrscht breiter Konsens, daß die Kunst autonom bleibt, nur sich selbst verpflichtet ist und aus sich ihre Regeln bezieht. Aber unsere Erfahrungen in der Befassung mit Kunst, egal ob schaffend, oder rezipierend, führen zu Situationen und fördern Kompetenzen, dank derer wir uns der eigenen Zukunft widmen können, ohne dabei auf die Marktschreierei gängiger Agenturen angewiesen zu bleiben.

-- [Das 2018er Kunstsymposion] --


coreresethome
20•18