log #660: Die Quest III Die Beuyse des Pessler
Ich mag, wie das klingt: Bergamo. Das ist eine Stadt in der Lombardei. Dort
betreibt Thomas Brambilla eine Galerie. Auch das phonetisch ein sehr schönes Wort. Also: Brambilla
in Bergamo. (Sie ahnen vielleicht: nichts ist egal.)
Bei Brambilla heißt es über Klaus Rinke, er
sei „one of the founder of the School of Düsseldorf with Sigmar Polke, Gerhard
Richter, Blinky Palermo and Günther Uecker. He also worked with Joseph Beuys, Bernd and
Hilla Becher." Rinke zu dieser Verknüpfung: „Aber im Gegensatz zu Joseph
Beuys sehe ich mich eher als ‚Johannes der Täufer’. Der Erkenner und Deuter."
[Quelle]
Klaus Rinke
Rinke war in unseren Gedanken und in einigen
Bildern zu Gast bei unserem 2017er Kunstymposion. Das kam durch seinen Schüler Selman
Trtovac, welcher am Symposion teilnahm. Der war in den 1990ern den Kriegshandlungen rund
um den Untergang Jugoslawiens ausgewichen und so bei Rinke gelandet. Das hat für mich
etwas Paradigmatisches. Diese Entscheidung: Ein Weg in den Krieg oder ein Weg in die
Kunst. Siehe dazu auch das Blatt in "The Track: Axiom | 2014": [link]
Der eine Weg ist das Fortschreiben nationalistischer Konzepte zu Lasten der Völker und zu
Gunsten der Herrschenden. Der andere Weg bezeugt und dokumentiert, was uns Menschen
gemeinsam ist; über jede vordergründige Differenz und anmaßende Ideologie hinweg. Ich
sehe das in einem Zeitfenster, welches gerade wieder hervorgehoben wird, da uns 2018 an
1918 denken läßt, an das Ende des Großen Krieges.
Nach der Schlacht von Königgrätz (1866) hatte sich alles verändert, denn der
wesentliche nächste Krieg, in den die Habsburger ihre Völker warfen, war der erste
umfassend mechanisierte Krieg in der Menschheitsgeschichte und von einem völlig neuen
Grauen. Es mußten damals sogar Kommandeure ihres Postens enthoben werden, weil sie unter
Nervenzusammenbrüchen und Depressionen eingeknickt sind, so entsetzlich litten die
Mannschaften in manchen Waffengängen.
2017: Martin Krusche (links) und
Selman Trtovac
Das steht natürlich auf keinem der
dummdreisten Machwerke, die noch heute „Unseren Helden" gewidmet sind, um
das Menschenmaterial zu verhöhnen. Dann der nächste Teil des Zweiten
Dreißigjährigen Krieges. Dabei diese Eigentümlichkeit: Josef Beuys ging zuerst
in den Krieg und dann in die Kunst. (Sein Werk ist ganz wesentlich von diesen
Erfahrungen geprägt.
Kleines Detail: Königgrätz. Dort
wurde Beuys stationiert und als Bordschütze in einer Junkers Ju 87 eingesetzt,
um später auf der Krim einen Abschuß zu überleben.
Ich umkreise meine Themen oft über Jahre.
Voriges Jahr also dieser Berührungspunkt mit Klaus Rinke via Selman Trtovac. Heuer "Die
Beuyse des Pessler". Es ist ja durchaus angebracht, stellenweise einen
ironischen Blick auf den alten Meister zu halten. Und es ist nötig, so manchen Spießern
wie Mittelschicht-Trutschen ins Wort zu fallen, wenn sie einmal mehr Beuys verbiegen, sich
auf diesen prominenten Satz berufen: "Jeder Mensch ist ein Künstler",
um sich selbst in den Kunstkontext zu schrauben, auch wenn ihnen Fragen der Kunst völlig
egal sind.
Ich bin in dieser Sache streitbar, weil mir
diese Nebelproduzentinnen, Selbstoptimierer, diese Leutchen mit all ihrer Geschwätzigkeit
auf die Nerven gehen, wenn sie einmal mehr demonstrieren: Sichtbarkeit geht vor
Authentizität. Das wäre fast unerheblich, wenn es sich nicht allerhand Personal aus
Politik und Verwaltung anböte, mit ihnen gemeinsam ein Kunstgeschehen und so ein
geistiges Leben zu simulieren, das freilich real nicht stattfindet.
Selbst das wäre egal, denn es darf sich ja
jeder Mensch mit Surrogaten vollfressen, bis der Herzschlag ausfällt. Aber wir leben in
Tagen, wo die Tyrannis längst wieder den Fuß in der Tür hat und mehr Platz begehrt.
Allein diesen Fuß zu erkennen, aber auch das, was dahinter steht, verlangt nach einem
wachen geistigen Leben. Ich sehe mich in klarer Frontstellung zu den
Surrogatproduzierenden, den besinnungslos Pinselnden, den lächelnden und flehenden
Komparsen eines Kulturgeschehens, das nichts will außer sich breit zu machen.
Daher der Blick auf Beuys, dessen Satz "Jeder
Mensch ist ein Künstler" nicht so für sich im Raum steht, sondern eine
anregende Nachbarschaft hat: „Jeder Mensch ist ein Künstler. Damit sage ich nichts
über die Qualität. Ich sage nur etwas über die prinzipielle Möglichkeit, die in jedem
Menschen vorliegt."
Novalis
Das hat übrigens Novalis in "Glauben
und Liebe oder der König und die Königin" ähnlich ausgedrückt: "Ein
wahrhafter Fürst ist der Künstler der Künstler; das ist, der Direktor der Künstler.
Jeder Mensch sollte Künstler sein. Alles kann zur schönen Kunst werden." (Was
die Interpunktionen in diesem Satz angeht, differieren die Quellen.)
Kann! Konjunktiv! Man muß nicht müßten, man
man sollte schon wollen. Und dieses Wollen bedeutet nichts, wenn es ohne die Ambition
bleibt, sich die nötigen Mittel anzueignen.
Warum aber dieser Eifer, in all dem
Unterscheidbares zu finden und es zu benennen? Wie erwähnt, wir machen erneut die
Erfahrung, daß sich die Tyrannis mit uns einrichten möchte. Ich lasse mich auf jedes
denkbare Streitgespräch ein, um zu beleuchten, was derzeit an präfaschistischen
Tendenzen und Usancen im Land zu finden ist.
Ich bin mit den Zuschreibungen Nazi
und Faschist sehr zurückhaltend, denn die erlauben keinen schlampigen Umgang.
Ich bin außerdem von der Option eines Neofaschismus nicht überzeugt. Ich neige
zur Ansicht, daß wir -- der Zeit entsprechend -- aus historischen Erfahrungen in Sachen
Niedertracht und aus präfaschistischen Dispositionen etwas Neues entwickeln
werden, was dem historischen Faschismus nicht gleicht; auch wenn es Parallelen hat, wie
zum Beispiel Selbstdefinition durch Feindmarkierung, gesellschaftlich gebilligter
Menschenverachtung, den Primat der Tat etc.
Nikolaus Pessler
Ich meine daher, da trennen sich nun Wege. Den
Lauf der Dinge zu betrachten, zu deuten, zu dechiffrieren ist ein anderer Job, als endlose
Laufmeter beliebig austauschbaren Acryl-Geplätschers zum Vorwand zu stilisieren, sich
hervorzutun und einen Kunstbetrieb zu simulieren, ein geistiges Leben vorzutäuschen, das
einmal mehr bloß zur Dekoration der Tyrannis würde, weil es keinen tieferen
Betrachtungen standhält.
Ich sehe in dieser Frage keinen Grund zur
Konzilianz, denn da werden gerade Terrains abgesteckt, Ressourcen verteilt, wird die
"Währung Sichtbarkeit" auf merkwürdige Art verwaltet.
So mögen meine Intentionen verstanden sein,
um nach den Josef Beuys-Paraphrasen von Maler Nikolaus Pessler zu greifen. Das ist der
eine Aspekt, diese ironische und amüsante Befassung mit dem Herren, den ich meist nur mit
traurigem Blick dargestellt sehe.
Der andere Grund ist jener "Flying
Circus" den Pessler gemeinsam mit Petra Lex eben startet. Eine Projektreihe, die
nun ihren Auftakt zum Thema "100 Jahre Republik Österreich" hat. Der
Wanderzirkus wird bei unserem 2018er Kunstsymposion gastieren. Doch schon jetzt, zum
aktuellen Aprilfestival, ist Pessler im Spiel, denn wir werden "Die
Beuyse des Pessler" zu sehen bekommen; als ein Statement zu "Die
Gefolgschaft des Ikarus".
+) 28.4.2018, Ursula
Glaeser: "Quellen der Inspiration" (Schloß Freiberg)
+) 28.4.2018,
Martin Krusche: "Die Gefolgschaft des Ikarus" (Schloß Freiberg)
+) 28.4.2018, Krusche & Pessler: "Die Beuyse des Pessler"
(Schloß Freiberg)
-- [Die Quest III] [Die Beuyse des Pessler]
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