log #653: Mythos Puch Aus der 2017er Veranstaltung hatte sich das Thema
"Zugkraft und Ladekapazität" ergeben. Das lag ursprünglich an einem
Gespräch mit Sigi Spreitzenhofer, dessen Puch-Schammerl wir im Ausstellungsraum
zeigen konnten. Spreitzenhofer ist selbst Lastwagenfahrer gewesen und erzählte von seinem
Steyr, mit dem er über eine Million Kilometer gemacht habe.
Sigi Spreitzenhofer (links) und
Bürgermeister Werner Höfler
Das hatte sich 2017 so im Rahmen des
LEADER-Projektes "Vom
Pferd zum Sattelschlepper" ereignet, da wir die Hintergründe des Themas
erst einmal kurz ausgeleuchtet haben. Das wurde natürlich auch zu einer
kulturgeschichtlichen Betrachtung des Themas, was nicht mit dem Ende dieses Projektes
abgeschlossen sein konnte. So ergab sich in der weiteren Bearbeitung nun der Titel
Der Geist des Transports
(Zugkraft und Ladekapazität)
Dieser Titel stammt vom Cover einer Ausgabe der Allgemeinen
Automobil-Zeitung im Mai 1921. Es zeigt die Reproduktion eines Gemäldes von R. F.
Heinrich, das für mich Anlaß zu einer eigenen Recherche wurde. Dabei kam ich auf ein
historisches Projekte, in dem „representive art critics and transportation
captains“ tätig waren, unter ihnen sogar W. C. Durant, Boss der General Motors
Corporation. (GM ist neben Chrysler und Ford einer der Big
Three, der klassischen Automobilproduzenten von Detroit.)
Das Art Institute of Chicago zeigte
dann Anfang 1921 eine Ausstellung von Werken zum Thema „The Spirit of
Transportation“. In dieser Themenstellung tut sich weit mehr auf als bloß eine
Betrachtung des Transportwesens. Eben noch hatte der Große
Krieg gewütet, von 1914 bis 1918 die Blüte Europas bezüglich Wissenschaft, Technik
und Kunst verbrannt. Heuer ist an diesen Umbruch zu denken: 1918 bis 2018.
Es war zugleich eine Zeit, da Industrie und Kunst enger
zusammenrückten, eine Ära der Industrialisierung des Designs. Eine besonderen Epoche der
Industriellen Revolution. Carroll Gantz nannte das diesbezügliche Kapitel in
seinem Buch „The Industrialization of Design“ dementsprechend „1918-1927:
Modern Design Takes Root“. |
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In der Kunst hatte die Russische
Avantgarde der Malerei bis dahin neue Impulse gegeben und Dada das
zeitgenössische Publikum irritiert. Durch Institutionen wie die Wiener Werkstätten und
das Bauhaus hatten sich Kunstschaffende verstärkt auf das Feld der
Massenproduktion und in die Architektur begeben.
Im Jahr 1925 tauchte ein bemerkenswertes Sitzmöbel auf,
das Historiker Eric Hobsbawm sogar in seinem Buch „Zeitalter der Extreme“
(Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts“ ausdrücklich erwähnt: „So mochte der
berühmte Stahlrohrstuhl von Marcel Breuer (1925-1929) zwar eine enorme ideologische und
ästhetische Aussage für die Verfechter der Modernität in sich bergen, […] doch seinen
Weg in die Modernität sollte er nicht als Manifest, sondern schlicht als einfacher und
überall nützlicher, stapelbarer Stuhl machen.“
Stuhl B3 (Wassily) von Marcel Breuer
(Foto: Lorkan, Creative Commons)
Marcel Breuer hatte eine Material-Neuheit aus dem
Flugzeugbau genutzt und schuf eine Reihe von Stühlen aus verchromten Stahlrohren, so den
von Hobsbawm erwähnten „Wassily-Stuhl“ (Stuhl B3), der auf den Maler Wassily
Kandisnky verweist.
Zugleich war uns während der Arbeit am erwähnten
LEADER-Projekt einmal mehr aufgefallen, wie umfassend die Region mit Klein- und
Flurdenkmälern versehen ist. Zu diesem Thema hatte Ursula Glaeser (Kulturbüro Stainz)
für Kultur.at im Vorjahr eine grundlegende Literaturrecherche geliefert. Darin
wurde deutlich, wie komplex dieses Zeichensystem in unserem Lebensraum ist, genau
genommen: eine vorindustrielle Info-Sphäre, die uns umgibt.
Wegkreuz beim Gemeindezentrum
Hofstätten
Somit liegen darin gleichermaßen regionalgeschichtliche
und kulturgeschichtliche Aspekte, die nun quasi auf zwei benachbarte Themenfelder
verweisen. Das lenkt unser Augenmerk auf:
a) Klein- und Flurdenkmäler als Zeichensystem (Volkskultur)
b) Die Sammler- und Schrauberszene im Transport-Zusammenhang (Volkskultur in
der technischen Welt)
Das bietet uns Anlässe, ein paar wichtige Abschnitte der Industriellen
Revolution näher zu betrachten, während kunstgeschichtlich die Klassische
Moderne (1880 bis 1960) sich verdichtet hat, um dann in einen Abschnitt zu münden,
da die Popkultur unser aller Biographien prägte. Darin stehen
Volkskultur, Popkultur und
Gegenwartskunst
...in Wechselwirkung und die alte bipolare Lagertrennung
von "Hochkukltur" und trivialen Feldern hat viele ihrer Distanzen
eingebüßt. Was in meinen Kindertagen als "Schmutz und Schund" galt,
erscheint heute als trübe Kategorie. Damit bin ich auch beim größeren Zusammenhang
dieser Themenstellung, nämlich bei unserem 2018er Kunstsymposion, das unter dem
Titel "Interferenzen" steht. ("Mythos Puch" ist Teil
dieses Symposions.)
Damit bekommt die kulturelle Zusammenarbeit von Albersdorf,
Hofstätten und Ludersdorf im Rahmen von "Dorf 4.0" eine komplexe Aufgabenstellung, die übrigens auch
in anderen Regionen der Steiermark ihre gewachsenen Bezugspunkte hat.
Hier soll übrigens auch begreiflich und anschaulich
werden, daß es Unfug wäre, die Genres volkskultureller Prägung und das Kontemporäre in
der Kunst gegeneinander aufzustellen, auszuspielen. Das nicht bloß, weil wir seit der Russischen
Avantgarde so prägnante Beispiele kennen, wo das Volkskulturelle, wahlweise
das Ethologische ("Die Primitiven") immer wieder starken
Einfluß auf die Gegenwarstkunst nahmen. All das schöpft teilweise aus den gleichen
Quellen, um dann sehr unterschiedlichen Aufgaben gewidmet zu werden.
-- [Mythos Puch V] [Interferenzen]--
P.S.:
+) Zum Thema der Stühle & Design siehe auch Krusches Lochbuch-Eintrag #2486!
+) Zum Kunstsymposion und Arbeitsjahr 2018 siehe: [link]
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