Log #647: Kunstsymposion Das Symposion ist -- historisch betrachtet -- ein Gastmahl,
bei dem Menschen zu vorgeschlagenen Themen einen Meinungsaustausch pflegen. Es zielt also
auf Erkenntnisgewinn. Ich bin so frei, an dieser Orientierung festzuhalten. Bei unserem
Kunstsymposion geht es vorrangig um inhaltliche Arbeit. Allerdings, der Gegend und den
hiesigen Bedingungen angepaßt, auf prozeßhafte Art.
Auf dem Weg zum kommenden Herbst, wo die
Hauptveranstaltungen stattfinden werden, liegen Zwischenschritte in kleinen
Veranstaltungen und laufenden Debatten. Die betreffen vor allem drei Themenfelder:
+) Maschinenprosa (Eine
Sammlung von Notizen über, nicht von Maschinen)
+) Kulturpolitik (Was haben wir
mit Funktionstragenden zu erörtern?)
+) Kunst (Beiträge zur
laufenden Klärung, worauf sich dieser Begriff bezieht)
Das heißt unter Strich, dieses Symposion soll weitere
Beiträge liefern, die aktuelle Entwicklung der Kunst zu begreifen, kulturpolitische
Fragestellungen zu klären und überhaupt Anregungen zu bekommen, was gerade den Lauf der
Dinge ausmacht, wo wir so weitreichende Umbrüche erleben. Das ist bei einem Leben abseits
des Landeszentrums, also in der Provinz, anders anzulegen als in den großen Städten.
Ich hab es in einigen vorangegangenen Notizen schon
angeschnitten: Wir befassen uns mit Wahrnehmungserfahrungen und Denkakten
als Kulturleistungen.
Wo in dieser Gesellschaft seit Jahrhunderten die Muße
als Müßiggang denunziert wurde, sind solche Kulturleistungen mit den
etablierten Arbeitsbegriffen nur schwer vereinbar. Da offenbart sich, daß so viele von
uns die Nachfahren all der Dienstboten und Hackler sind, denen der Mangel als das
Normale und die Not als etwas Häufiges vertraut war.
Aus solchen mentalitätsgeschichtlichen Prägungen bekommt
auch Ideologie ihre Färbungen. Die häufige Klage über eine auffallend schlechte soziale
Situation österreichischer Kunstschaffender hat allerhand damit zu tun, daß wir mit
keinen einschlägigen Berufsbildern vertraut sind, die uns künstlerische Arbeit als "richtige
Arbeit" zeigen.
Im Kulturbetrieb der Provinz spiegeln sich
natürlich gesellschaftliche Eigenheiten von solcher Art besonders. Wir haben keine
ausreichend hohe Dichte inspirierter Leute, die ganz andere Arbeitskonzepte vorleben. Dazu
kommt: Wo Sichtbarkeit vor Authentizität geht und Protektion vor Kompetenz,
besteht eine irritierende Doppelbödigkeit, mit der umzugehen es einiger Talente bedarf,
die nicht allgemein verfügbar sind.
Daher sind Wissens- und Kulturarbeit wie auch Kunstpraxis
den Nischen vorbehalten, die nicht als gesichert gelten. Ich hab es schon mehrfach
erwähnt, diese bipolare Situation -- hier Grundlagenarbeit, da Angewandtes
-- birgt seit jeher Konfliktstoff. Wo öffentliche Gelder eingesetzt werden sollen,
tendiert zuständiges Personal in Politik und Verwaltung zum Vorzeigbaren, zum
Publikumsträchtigen. Das ist verständlich, aber problematisch.
Hinzu kommt, daß gerade die Grundlagenarbeit und
die Kunstpraxis sehr oft von Inhalten und Dimensionen handeln, die in der Funktionärswelt
kaum sachkundige Personen finden. Das heißt folglich, es müßte jemand für etwas
einstehen oder etwas zulassen, was sich ihm oder ihr nicht hinreichend erschließt. Das
bedeutet für Fachkräfte aus Politik und Verwaltung: ein Risiko eingehen. Etwas
unterstützen oder wenigstens zu befürworten, das einem selbst nicht ganz klar ist.
Solche Risikobereitschaft ist selten.
Wir kennen genau diese Situation im Projektrahmen "Dorf 4.0", wo es immer
wieder vorkommt, daß ein Bürgermeister offen sagt: "Das ist mir jetzt nicht
wirklich klar." Oder noch deutlicher: "Ich versteh jetzt nicht einmal
die Hälfte von dem, was du da redest." Stellen Sie sich nun einen
Bürgermeister vor, der da nicht zynisch meint, sondern ernst, und sich darauf einläßt.
Es gibt auch ganz andere Beispiele in der Region, wo
Funktionstragende alles, was sie nicht verstehen oder was ihren Eigeninteressen nicht
zuarbeitet, konsequent abgestellt haben. Ich denke, das sind die Zusammenhänge, in denen
sich einiges entscheidet, was etwa Fragen nach der Zukunftsfähigeit einer Region
betrifft.
Ich sehe es nicht als eine Aufgabe der Kunst, an sozialen
Zusammenhängen direkt etwas zu bewirken. Das braucht dann auch couragierte
Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, der Kunst das zuzugestehen, was sie seit der
Renaissance durchsetzen konnte, ohne daß es bisher revidiert worden wäre: Autonomie. Das
bedeutet: Sich selbst die Regeln geben.
Die Kunst hat also ihre eigenen Regelwerke und Aufgaben.
Kulturpolitik wäre demnach auch anderen Pflichten zu widmen, als bloß dem Abwickeln von
Events und der Unterstützung von City- beziehungsweise Regionalmanagements.
Das würde zu einigen Fragen führen wie:
+) Was sind derzeit relevante, vor allem vorrangige Themen?
+) Welche Themen fehlen momentan auffallend im öffentlichen Diskurs?
+) Welche lokalen und regionalen Kräfte sind auffindbar, um Beiträge zu erhalten?
+) Womit können Politik und Verwaltung derlei Optionen begleiten und verstärken?
Damit sollte deutlich werden, daß die Verwaltung keinen
Selbstzweck hat, sondern im Gemeinwesen wichtige Aufgaben fände, zu begleiten und zu
verstärken, was von der Basis her kommt. Das ist ja, was mit dem Bottom up-Prinzip
gemeint wurde, welches zum Beispiel eine Bedingung für viele EU-Budgets ist, die regional
lukriert werden können.
Dabei geht es um aktive Bürgerinnen und Bürger, die
relevante Vorhaben umsetzen möchten. Es geht dann sehr wesentlich auch um eine
professionelle Begleitung für ehrenamtliche Arbeit. Das wirft natürlich Fragen auf, wie
sich Kooperation zwischen Privatpersonen und Funktionstragenden aus Politik und Verwaltung
ereignen kann, auf daß Ebenbürtigkeit als Prinzip gilt, wo doch so unterschiedliche
Rollen und Positionen zusammenfinden.
In der Kleinregion Gleisdorf sind einschlägige
Arbeitsgespräche in einem öffentlichen Rahmen schon geraume Zeit verstummt. Die
Verwaltung von Partikuklarinteressen scheint derzeit vorrangig zu sein, obwohl einem
vermutlich jeder Bürgermeister bestätigen kann, daß das langsam zum Albtraum wird;
nämlich ein Gemeinwesen, in dem die Kommune als Serviceeinrichtung betrachtet
und gefordert wird, um Partikularinteressen zu bedienen.
Das typische Beispiel: Bürgermeister werden immer öfter
für diverse Differenzen in banalen Nachbarschaftsangelegenheiten strapaziert. Wird
gefragt: "Hast du schon einmal mit deinem Nachbarn geredet, bevor du zu mir
gekommen bist?", häuft sich die Antwort "Nein".
So hat die Provinz auch einen Kunstbetrieb, in dem
Partikularinteressen dominieren, worauf sich vielerorts Politik und Verwaltung nur zu
gerne einlassen. Klar. In keinem anderen Modus ließen sich lukrierbare Kulturbudtgets so
gut für Nachbarfelder wie etwa das Marketing kapern, statt nennenswerte Teile davon
konsequent in Grundlagenarbeit zu stecken. So gesehen ist der bisherige Verlauf im
Projektraum "Dorf 4.0"
eine erstaunliche Ausnahme.
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